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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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ebenso sehr wie ich.«
    »Und das Geld?«
    Miguel legte Nunes eine Hand auf die Schulter. »Sie haben versprochen, das Geld spätestens morgen auf mein Konto zu überweisen. Oder übermorgen. Dann werde ich Sie gewiss bezahlen.«
    »Sehr gut.« Nunes entwand sich Miguels Umarmung. »Das mit der Verzögerung tut mir Leid. So etwas kann immer vorkommen, wissen Sie. Sie haben eine mögliche Verspätung ja sicher mit einkalkuliert.«
    »Selbstverständlich. Bitte halten Sie mich über Neuigkeiten auf dem Laufenden. Ich muss mich um vieles kümmern.«
    Miguel fand die Schenke auf einmal unerträglich heiß, und er eilte nach draußen, stürzte auf die Straße – und sah Joachim erst, als er wenige Schritte von ihm entfernt stand. Der Bursche sah noch schlimmer aus als bei ihrer letzten Begegnung. Er trug dieselben Kleider, die noch schmutziger geworden waren, und der Ärmel seines Mantels hatte einen Riss vom Handgelenk bis fast zur Schulter; sein Kragen war mit Blut befleckt.
    »Es tut mir Leid, dass ich letzthin nicht viel Zeit für Sie hatte«, sagte Joachim, »aber ich war beschäftigt.« Er schwankte ein wenig, und sein Gesicht glühte.
    Miguel hielt nicht inne, um über sein weiteres Vorgehen nachzudenken. Dunkle Strudel des Hasses vernebelten ihm die Sicht. Er spürte nichts außer Zorn in seinen Eingeweiden, angestachelt durch den Kaffee, der seine Körpersäfte schwarz und böse machte. Im Nu war er nicht mehr er selbst, sondern
ein wildes Tier jenseits aller Vernunft. Er ging auf Joachim zu und verpasste ihm einen heftigen Stoß.
    Es war wie eine Befreiung. Er fühlte kurz den zerbrechlichen Leib an seinen Händen – und dann war Joachim verschwunden. Miguel verspürte Freude. Hochstimmung. Er fühlte sich wie ein Mann. Mit einem einfachen Schuser hatte er Joachim aus seinem Leben verbannt.
    Nur blieb Joachim nicht lange in der Verbannung. Miguel hatte eigentlich weitergehen wollen, doch aus dem Augenwinkel sah er, dass sein Feind härter aufgeprallt war, als er beabsichtigt hatte. Er war auf die Seite gerutscht wie ein Fisch, den man auf einen glitschigen Pier geworfen hat.
    Miguel erstarrte. Joachim war tot. Nur ein Toter konnte so daliegen, schlaff und reglos und besiegt.
    Er mühte sich, diesem Albtraum zu entrinnen. All seine Hoffnungen waren mit einer einzigen Handlung zunichte. Was ihn nun wohl erwartete? Prozess und Urteilsvollstreckung, Skandal und Schande. Er, ein Jude, hatte einen Holländer niedergeschlagen; der niedere Stand des Holländers zählte nicht.
    Da bewegte Joachim sich. Mit einem kurzen Ruck, den Rücken Miguel zugewandt, stemmte er sich hoch. Eine Menschenmenge hatte sich versammelt, und ein Aufschrei ertönte, als die Zuschauer sein Gesicht erblickten, das er sich auf den Pflastersteinen der Straße aufgescheuert hatte. Langsam drehte er sich um, damit Miguel die Verletzung sehen konnte.
    Die Haut auf seiner rechten Wange wirkte wie abgeschält, desgleichen seine Nasenspitze. Beide Wunden bluteten nicht stark, aber stetig, und angesichts des Blutes und Schmutzes wurde Miguel übel. Joachim schaute geradeaus und rührte sich nicht, als stellte er sich vor einem Gremium von Richtern zur Schau. Dann, nach einem Moment, spuckte er einen Mund voll Blut aus und etwas, das aussah wie der Rest seiner verbliebenen Zähne.

    »Der Jude hat den armen Bettler angegriffen, und das ganz ohne Grund«, hörte er eine Frau sagen. »Ich werde die Wachmänner rufen.«
    Miguels Erleichterung schwand. Wurde er verhaftet, weil er grundlos einen Holländer attackiert hatte – und es gab reichlich Zeugen, die bestätigen konnten, dass der Angriff nicht provoziert worden war -, so blieb dem Ma’amad nichts anderes übrig, als den Cherem über ihn zu verhängen, und diesmal wäre es kein vorübergehender. Alles lag in Scherben.
    Aber Joachim rettete ihn. Joachim hätte ihn zerstören können und tat es nicht. Miguel machte sich keine Illusionen. Er wusste, das Joachim ihn nur rettete, um ihn weiter peinigen zu können. Ein ruinierter Miguel brächte keinen Nutzen.
    »Es ist nicht nötig, jemanden zu holen«, rief Joachim; die Worte kamen langsam und zähflüssig. Gewiss war er betrunken, doch es schien auch denkbar, dass die Verletzung im Gesicht das Sprechen erschwerte. »Ich regle diese Angelegenheit lieber privat.« Er trat zögernd einen Schritt vorwärts und spuckte einen weiteren dicken Klumpen Blut aus. »Ich glaube, wir sollten eiligst aufbrechen«, sagte er zu Miguel, »ehe jemand doch noch nach dem

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