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Der Kaffeehaendler - Roman

Der Kaffeehaendler - Roman

Titel: Der Kaffeehaendler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Liss Almuth Carstens
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Ablenkungen.«
    »Der Abrechnungstag naht«, sagte sie mitfühlend. Sie schüttelte den Kopf mit einer Traurigkeit, die sowohl mütterlich als auch spöttisch war.
    »Er naht, und ich habe eine Menge in Ordnung zu bringen.«
Er wollte ihr schon mehr erzählen; dass die Dinge schlecht gelaufen waren und er, falls ihm kein neuer Geschäftsabschluss gelang, in einer Woche noch mehr Schulden haben würde. Doch er sagte nichts. Ein halbes Jahr in bitterer, unbarmherziger, lähmender Trostlosigkeit hatte Miguel einiges über das Dasein eines Schuldners gelehrt. Er hatte sogar erwogen, eine kurze Abhandlung darüber zu schreiben. Die wichtigsten Regeln waren, dass man sich nie wie ein Schuldner verhalten und seine Probleme nie jemandem anvertrauen durfte, der nicht unbedingt davon wissen musste.
    »Kommen Sie, setzen Sie sich einen Augenblick zu mir«, sagte sie.
    Er hätte fast abgelehnt und gesagt, er stehe lieber, aber neben ihr zu sitzen, war allzu verlockend, deshalb merkte er, wie er nickte, ehe ihm überhaupt klar geworden war, dass er eine Entscheidung getroffen hatte.
    Es war nicht so, dass Geertruid schöner gewesen wäre als andere Frauen, obwohl sie gewiss Schönheit ausstrahlte. Auf den ersten Blick wirkte sie nicht außergewöhnlich, eine wohlhabende Witwe Mitte dreißig, königlich hoch gewachsen, immer noch recht hübsch, besonders, wenn ein Mann sie aus der richtigen Entfernung oder nach einer ausreichenden Menge Bier anschaute. Doch wenn sie auch ihre besten Jahre hinter sich hatte, sie besaß noch genügend Reize und war mit einem jener glatten, runden, nordischen Gesichter gesegnet, sahnig weiß wie holländische Butter. Miguel hatte Jünglinge gesehen, die zwanzig Jahre jünger waren als Geertruid und sie hungrig anstarrten.
    Hendrick trat hinter Miguel hervor und schob den Mann, der neben Geertruid saß, beiseite. Miguel nahm Platz, während Hendrick den Burschen fortführte.
    »Ich habe nur wenige Minuten«, sagte er zu ihr.
    »Ich glaube, Sie werden mir mehr Zeit schenken.« Sie
beugte sich vor und küsste ihn, knapp oberhalb seines modisch kurzen Bartes.
    Als sie ihn zum ersten Mal geküsst hatte, waren sie auch in einer Schenke gewesen, und Miguel, der noch nie zuvor mit einer Frau befreundet gewesen war, schon gar nicht mit einer Holländerin, fühlte sich verpflichtet, mit ihr in eines der Hinterzimmer zu gehen und ihr unter die Röcke zu greifen. Schon öfter hatten die Holländerinnen Miguel ihre Absichten auf diese Weise kundgetan. Sie mochten sein ungezwungenes Auftreten, sein offenes Lächeln, seine großen schwarzen Augen. Miguel hatte ein rundliches Gesicht, weich und jugendlich, ohne kindlich zu wirken. Manchmal fragten sie ihn, ob sie seinen Bart berühren dürften. Meist waren es Frauen in Schenken und Tanzdielen und auf den Straßen der weniger eleganten Stadtviertel. Sie behaupteten, sie wollten seinen Bart befühlen, der so sauber gestutzt und schön sei, aber Miguel wusste Bescheid. Sein Gesicht gefiel ihnen, weil es weich wie das eines Kindes und gleichzeitig hart wie das eines Mannes war.
    Geertruid dagegen wollte nie mehr, als ihre Lippen auf seinen Bart zu drücken. Sie hatte ihm erklärt, sie sei nicht daran interessiert, dass ihr unter die Röcke gegriffen würde, zumindest nicht von Miguel. Diese Holländerinnen küssten jeden, der ihnen gefiel, und zwar kühner, als die jüdischen Frauen der portugiesischen Nation ihre Ehemänner zu küssen wagten.
    »Wissen Sie«, sagte sie, während sie sich von ihm löste, »obwohl Sie schon seit Jahren in dieser Stadt sind, habe ich immer noch neue Sehenswürdigkeiten für Sie.«
    »Ich fürchte, Ihr Vorrat an Neuem wird knapp.«
    »Jedenfalls müssen Sie sich nicht sorgen, dass Sie der hebräische Ältestenrat hier sieht.«
    Das stimmte allerdings. Es war Juden und Nichtjuden erlaubt,
in Wirtshäusern Geschäfte zu machen, doch welcher Jude unter den Portugiesen würde dieses stinkende Loch wählen? Trotzdem, man konnte nie vorsichtig genug sein. Miguel hielt in seiner Umgebung rasch Ausschau nach verräterischen Anzeichen für Ma’amad-Spitzel: Juden, die womöglich als holländische Tagelöhner verkleidet waren, auffällige Burschen, allein oder zu zweit, die nichts aßen; Bärte, die hauptsächlich von Juden getragen wurden, mit der Schere ganz kurz geschnitten, damit sie wie abrasiert wirkten (die Thora verbot lediglich den Gebrauch von Rasiermessern, nicht das Stutzen von Bärten, doch Bärte waren in Amsterdam so sehr aus der

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