Der Kaffeehaendler - Roman
Mode, dass selbst ein Anflug davon einen Mann als Juden auswies).
Geertruid strich über Miguels Hand, eine Geste, die fast schon erotisch war. Freizügigkeit im Umgang mit Männern liebte sie über alles. Ihr Ehemann, den sie als den grausamsten aller Schurken beschrieb, war jetzt seit einigen Jahren tot, doch sie feierte ihre Freiheit immer noch. »Der Fettsack hinter der Theke ist mein Vetter Crispijn«, sagte sie.
Miguel warf einen Blick auf den Mann: blass, korpulent, schwere Lider – er unterschied sich nicht von zehntausend anderen in der Stadt. »Danke, dass Sie mich mit Ihren aufgeblähten Verwandten bekannt machen. Ich hoffe, ich darf ihn wenigstens bitten, mir einen Humpen seines reinsten Biers zu bringen, um den Gestank zu ertränken.«
»Kein Bier. Ich habe heute etwas anderes im Sinn.«
Miguel versuchte nicht, ein Lächeln zu unterdrücken. »Etwas anderes im Sinn? Haben Sie beschlossen, dass ich endlich Ihre geheimen Reize kennen lernen darf?«
»Geheimnisse habe ich zuhauf, darauf können Sie sich verlassen, aber nicht solche, an die Sie denken.« Sie winkte zu ihrem Vetter hinüber, der mit einem feierlichen Nicken reagierte und dann in der Küche verschwand. »Ich möchte, dass
Sie ein neues Getränk kosten – etwas Wundersames, etwas ganz Besonderes.«
Miguel starrte sie an. In diesem Augenblick hätte er in jeder beliebigen anderen Schenke sitzen und über Wollstoffe oder Kupfer oder den Holzhandel sprechen können. Er hätte mit aller Macht versuchen können, seine zerrütteten Konten auszugleichen, indem er ein Geschäft auftat, dessen Vorteile er allein erkannte, oder einen Betrunkenen dazu überredete, seinen Namen unter die Weinbrandterminkontrakte zu setzen. »Madame, ich dachte, Sie verstehen, dass meine Angelegenheiten dringend sind. Ich habe keine Zeit für etwas Besonderes.«
Sie beugte sich näher zu ihm und schaute ihm voll ins Gesicht, und einen Moment lang glaubte Miguel, sie wolle ihm einen Kuss geben, keinen verstohlenen auf die Wange, sondern einen echten Kuss, hungrig und gierig.
Er irrte sich. »Ich habe Sie nicht umsonst herkommen lassen, und Sie werden feststellen, dass ich Ihnen nichts Alltägliches biete«, sagte sie und ihre Lippen waren so nah an seinem Gesicht, dass er ihren zarten Atem spüren konnte.
Und dann brachte ihr Vetter Crispijn etwas herein, das Miguels Leben verändern sollte.
Zwei irdene Schalen standen da, in denen eine Flüssigkeit, schwärzer als die Weine von Cahors, dampfte. Im trüben Licht ergriff Miguel das leicht angeschlagene Gefäß mit beiden Händen und nahm seinen ersten Schluck.
Der Geschmack war von einer starken, beinahe berauschenden Bitterkeit, die Miguel noch nie erlebt hatte. Er hatte Ähnlichkeit mit Kakao, den er vor Jahren einmal probiert hatte. Vielleicht dachte er nur deshalb an Kakao, weil beide Getränke heiß und dunkel waren und in dickwandigen Tonschalen serviert wurden. Dieses hier schmeckte weniger üppig,
schärfer und karger. Miguel nahm noch einen Schluck. Als er damals den Kakao gekostet hatte, war er so fasziniert gewesen, dass er zwei Schalen von dem Zeug geleert hatte, was ihn so entflammte, dass er es selbst nach dem Besuch zweier zufrieden stellender Huren für nötig befunden hatte, zu seinem Arzt zu gehen, der seine aus dem Gleichgewicht geratenen Körpersäfte mit einer gesunden Mischung aus Brech- und Abführmitteln beruhigte.
»Es wird aus Kaffeefrüchten gemacht«, teilte Geertruid ihm mit und verschränkte die Arme, als hätte sie selbst die Mixtur erfunden.
Miguel war schon ein-, zweimal mit Kaffee in Kontakt gekommen, aber nur als Ware, mit der ostindische Kaufleute handelten. Das Geschäft an der Börse erforderte nicht, dass man die Beschaffenheit eines Artikels kannte, bloß die Nachfrage und gelegentlich, im Eifer des Handelns, nicht einmal die.
Er durfte nicht vergessen, die Wunder der Natur zu segnen. Manche Juden wandten sich von ihren nichtjüdischen Freunden ab, wenn sie ihre Speisen oder Getränke segneten, Miguel dagegen hatte Vergnügen an den Gebeten. Er liebte es, sie in der Öffentlichkeit vorzutragen, in einem Land, wo er nicht verfolgt werden konnte, weil er die heilige Sprache sprach. Er wünschte sich, er hätte öfter Gelegenheit, Dinge zu segnen. Es erfüllte ihn mit Trotz; er stellte sich jedes offen ausgesprochene hebräische Wort als Messer im Bauch eines Inquisitors vor.
»Es ist eine völlig neue Substanz«, erklärte Geertruid, als sie ausgetrunken hatte. »Man
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