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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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schlugen ihm in den Rücken, gegen den Kopf, wirbelten
     seinen Körper herum und stießen ihn gleichzeitig hinab, bis er in eine große Stille fiel.

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    |85| 7. Kapitel
    »Guter Gott.« Es war kein Ausruf, vielmehr eine ruhige Feststellung. »Erhitzt Wasser. Wir müssen seine Wunden reinigen.« Die
     Stimme hatte das kehlige Zittern des Alters. Trotzdem formte sie ihre Worte mit selbstverständlicher Genauigkeit.
    »Ja, Meister.«
    »Schafft die anderen Kranken hinaus. Wenn wir wollen, daß dieser überlebt, braucht er absolute Ruhe.«
    »Wie Ihr wünscht, Meister.«
    »Ihr dort, helft mir, die Knochen zu richten, sonst kann er Arme und Beine nie wieder anständig gebrauchen.«
    Eine gütige Vorsehung ließ Germunt in die Bewußtlosigkeit entfliehen.
     
    Da war die Stimme wieder. Germunt versuchte vergebens, die Augen zu öffnen. Oder waren sie offen, und er sah nichts? Er mühte
     sich, die tiefschwarze Finsternis zu durchdringen, ohne Erfolg.
    »Habt Ihr das Wegerichkraut beschafft? Sehr gut. Die Leinentücher brauchen wir erst am siebten Tag. Wenn wir sie heute schon
     in Eiweiß tränken und ihm um die Brüche wickeln, wird die Schwellung zu groß. Helft mir statt dessen, ihm das Wegerichkraut
     auf die Wunden zu legen.«
    »In Ordnung.«
    »Ihr dort, holt mir Stilla her.«
    »Herr, sie ist blind!«
    »Meint Ihr, ich weiß das nicht? Nennt mir einen Menschen, der sein Augenlicht noch hat und mit demselben Fingerspitzengefühl
     die Stirn des Verletzten kühlen kann!«
    |86| Schweigen.
    »Ihr könnt es nicht? Also holt Stilla.«
    »Ja, Meister.«
    Als die Gerufene eintrat und redete, fühlte sich Germunt plötzlich wie in Seide gebettet.
    »Was ist geschehen?« Ihre Stimme legte sich weich in Germunts Ohren.
    »Er wurde niedergeritten.«
    Da sich der Arzt mit dieser Erklärung zu begnügen schien, ergänzte eine andere Stimme: »Der Bischof hat ihn auf eigenen Händen
     hergetragen. Sein Pferd trottete hinterher, Ihr hättet es sehen sollen – oh, verzeiht bitte.« Germunt konnte sich gut den
     mißbilligenden Blick des Arztes vorstellen. Eilig setzte die Stimme fort: »Da sieht man, was so ein schnelles Pferd anrichtet.
     Die Knechte mußten ganz schön waschen, bis sie das Blut von den weißen Pferdebeinen hatten.«
    »Ich bitte Euch.« Der Arzt räusperte sich. »Es ist gut möglich, daß uns der Verletzte hören kann. Gebt mir die Kornblumensalbe
     herüber! Stilla, Ihr könnt ihm die Stirn kühlen. Es befindet sich eine Schüssel mit Wasser auf einem Schemel zwei Schritt
     vor Euch. Ein Tuch liegt daneben. Seid vorsichtig, nicht seine Augen zu berühren. Ich habe sie mit einem Verband bedeckt.
     Wenn die anderen Wunden versorgt sind, werde ich mich darum kümmern.«
    Germunt wollte sich am liebsten der Hand entgegenstrecken, die bald begann, sanft seine Stirn abzutupfen. Er genoß jede Berührung,
     spürte sie bis in die Zehen hinab, wollte lächeln. Und dann begann Stilla, nah über seinem Kopf eine Melodie zu summen. Vielleicht
     hörte es niemand sonst im Raum, so zart und leise war es, aber Germunt hörte es genau. Ein einfaches Lied, es war leicht zu
     erkennen, wann eine Strophe endete und die nächste begann. Die Stimme schwebte ruhig von einem Ton zum nächsten. Frieden floß
     durch das Lied auf Germunt über, wie das Lied einer Mutter dem Säugling in der Wiege glücklichen |87| Schlaf bringt. »Du Armer«, sagte die weiche Stimme, als das Lied beendet war.
    Plötzlich hatte er das Gefühl, von einem Wirbelsturm aufgenommen und rasend schnell gedreht zu werden. Die Lippen wurden kalt,
     die Nase fror. In den Ohren rauschte der Sturm, und ohne daß er sich irgendwie festhalten konnte, entfernten sich die Stimmen
     um ihn herum. Furchtbare Angst befiel ihn, das große Höllenloch könne aufgerissen sein für ihn. Stand vielleicht der Priester
     im schwarzen Umhang schon neben ihm, um ihn zu stoßen? Er wollte schreien, fand sich aber willenlos und ausgeliefert. Der
     Wirbelsturm trug ihn in eine undurchdringliche Stille.
     
    Als er wieder zu sich kam, war es ruhig im Raum. Seine Gedanken gingen klar und geradlinig. Fast meinte er, seit dem Unfall
     das erste Mal erwacht zu sein. Er spürte seinen Körper als Amboß, auf den eine Schar von Schmieden einschlug. Jedes Glied
     schmerzte auf seine Art. Zuerst versuchte er, Ordnung in die Schmerzen zu bekommen, aber sie schienen von überallher zu kommen,
     donnerten, schnitten, stachen.
    Vielleicht war es das beste, sich abzulenken.
Ob ich die

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