Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
Vom Netzwerk:
durchsuchen«, fiel ihm Stilla ins Wort.
    Da kennt Ihr die Franken schlecht.
Germunt rieb sich nachdenklich die Stirn.
Aber es gibt keine andere Möglichkeit.
Er stand auf. »Gut. Laßt uns gleich gehen.«
    Eike griff ihn bei den Schultern. »Haltet noch diese Wochen aus. Eure Flucht wird bald ein Ende haben.«
    »Auf diese oder die andere Weise.«
     
    In der Stadt schrien immer noch die Kinder. Germunt fühlte plötzlich Stillas Hand an seinem Arm. Wo sie ihn berührte, empfand
     er Schmerz und wollte gleichzeitig lachen, so daß er es fast nicht ertragen konnte. Er hatte sich in den vielen Monaten seiner
     Flucht oft gefragt, wann der letzte Tag wäre, den er erleben würde.
Gott, laß heute nicht den letzten sein.
    »Gut, daß die Händler ihre Waren den Menschen fast vor die Füße bauen«, sagte er. »Eine Hetzjagd mit Pferden ist dann schwieriger.«
    Stilla schwieg.
    Ob sie die Berührung auch so empfindet wie ich? Macht es für sie einen Unterschied, ob sie von Odo geführt wird oder von mir?
Germunt hatte plötzlich das Gefühl, dem blinden Mädchen Hunderte, nein Tausende Fragen stellen zu wollen. Es war ihm eine
     angenehme Vorstellung, die nächste Zeit in ihrer Nähe verbringen zu können. Offen blieb, wie lange diese Zeit währen würde
     und wie ihr Ende aussah.
    Als die drei Steinvillen in Sicht kamen, war die Straße |258| beinahe leer. Hier und in den anderen guten Häusern wohnten die reichen Händler, wohlhabende Familien, deren Landgüter wie
     ein Speckgürtel um die Stadt herum angesiedelt waren. Erleichtert sah sich Germunt um. Irenes Brüder waren wohl noch nicht
     in der Stadt.
    Stilla drückte noch einmal Germunts Arm, bevor sie ihre Hand zurückzog. »Ich helfe dir.«
    Sie sagt »du« zu mir?
Germunt war es, als würden Stilla und er sich plötzlich vom Rest der Stadt lösen, zu zweit stehen, bei sich. »Danke.«
    Odos Villa. Die riesigen Steinquader, das dunkle Grün der Rankpflanzen, die sich in den Fugen festklammerten. Oben in der
     Dachkrone fehlten einige Steine. War dort gerade eine Ratte langgehuscht? Die Wucherblätter wippten noch.
    Im Vorgarten waren die Sträucher höher gewachsen, seitdem er das letzte Mal hier gewesen war, aber nicht hoch genug, um die
     Frauenstatue zu verdecken. Immer noch richtete sie sich mit sinnlich gebogenem Arm die Haare und entblößte ihre Brüste. Der
     Anblick der halbnackten Frau machte Germunt ärgerlich. Ihre Gegenwart beleidigte Stilla.
    »Was tun wir, wenn Odo ablehnt?« Germunt verlangsamte seine Schritte.
    »Er wird nicht ablehnen.«
    Als Stilla nach der Tür griff, öffnete sie sich von selbst. Odo stand dort, die wenigen Haare wie Ginstergestrüpp in den Wind
     gestreckt. Seine Augen zeigten keinerlei Erstaunen. »Kommt.«
    Germunt zog sich betreten an die Wand zurück, während Stilla Odos faltigen, großen Ohren die Geschichte entgegensprudelte.
     Der Meister hörte aufmerksam zu, ohne ein Zeichen von Mißbilligung, aber auch ohne freundliches Nicken oder Nachfragen.
    Mitten in der Beschreibung des blutigen Pfeiles trat eine Frau in den Empfangsraum. Germunt erkannte die Begleiterin wieder,
     die mit Stilla auf dem Markt gewesen war. Ihr graues Hemd war an den Armen aufgeschlagen und ihre |259| Hände naß. Eine neue Magd wohl, weil die alte endlich für immer eingeschlafen war.
    Sie lauschte nur wenigen Sätzen, dann schüttelte sie schon ihren großen Kopf. »Im Keller ist es finster und stickig. Er soll
     sich einfach in der Küche nützlich machen, und wenn jemand an die Tür klopft, schicken wir ihn rasch hinab.«
    Odo nickte. »Gut, machen wir es so.« Seine Augen erfaßten Germunts Blick. »Seid Euch bewußt, junger Mann, daß ich Euch nicht
     schützen kann.« Damit stieg er die Treppe hinauf, ohne eine Antwort zu erwarten.
    Ungeachtet ihrer nassen Hände packte die Magd Germunt am Arm und zog ihn mit sich. »Da ist ein Kessel, dessen Bekanntschaft
     du unbedingt machen solltest.«
    Als sich Germunt in der Tür zur Küche noch einmal umdrehte, sah er Stillas Mund zu einem Lächeln geöffnet.
     
    Oft arbeiteten Stilla und Germunt Seite an Seite, bereiteten das Essen vor, wuschen die Wäsche. Stilla fragte ihn viel über
     seine Kindheit. Das Geschehen um seine Bluttat sprach sie nicht an, dafür empfand er Dankbarkeit.
    Im Garten grub Germunt mit dem Spaten den Boden um, während Stilla an anderer Stelle Unkraut rupfte.
    »Was war dein Spielzeug, als du klein warst?«
    »Oh, du hättest die Scharten in meinem kleinen

Weitere Kostenlose Bücher