Der kalte Himmel - Roman
über ihre Lippen kommen. Das war aber auch nicht nötig. Ein Blick zu ihrem Sohn genügte, und Elisabeth wusste Bescheid. Die Einschulung von Felix war eine Katastrophe gewesen.
*
Am anderen Morgen hatte Marie alle Hände voll zu tun, um die Schulbrote für die Kinder zu richten.
» Max, Lena « , sagte sie, als sie die Brote mit den Wurstscheiben zusammenklappte, » ihr habt ein Auge auf den Felix, ja? «
Alle drei standen sie nun in ihren Winterjacken und Mützen vor ihr, den beiden Großen gab sie wie gewohnt einen Kuss, und Felix, der daran kein Interesse zeigte, strich sie zart über die Wange. Schon war er als Erster aus der Tür gesprungen, als ihr Blick auf seinen Ranzen fiel, den er in der Küche vergessen hatte.
» Halt « , sagte sie zu Max, » nimm du seinen Ranzen mit! «
Max warf seiner Schwester einen genervten Blick zu, der Marie nicht entging.
» Komm « , sagte sie, » aller Anfang ist schwer! Das war bei euch nicht anders. «
Als die Kinder draußen waren, trat Paul in die Stube. Er setzte sich nicht wie sonst, sondern trank seinen Kaffee im Stehen.
» Wo gehst du hin? «, fragte ihn Marie, als sie seine Unruhe spürte.
» Zum Schenkhofer, das Hopfengeld abholen « , antwortete Paul so nebenbei wie möglich.
Marie suchte seinen Blick. Er hielt ihr stand. Maries Blick wanderte von seinen Augen auf sein Kinn, verweilte auf dem Grübchen, das sie so liebte, wanderte weiter auf seinen Hemdkragen, der sauber, aber falsch geknöpft war. » Nicht so « , sagte sie zärtlich und zupfte ihm das Hemd zurecht, wobei sie mehrere Knöpfe aufknöpfen und in der richtigen Reihenfolge wieder schließen musste. Dann sah sie ihm wieder in die Augen. Ihre Lippen waren ganz nah. Beide lächelten zaghaft, aber sie küssten sich nicht.
Nachdenklich trat Marie ans Fenster. Längst hatten ihre drei Kinder die Stelle erreicht, wo der Feldweg vom Hof aus in die Landstraße mündete. Wie selbstverständlich nahmen Lena und Max den jüngeren Felix in die Mitte. Da stapften sie, drei Geschwister auf dem Weg in die Schule. Es hätte so einfach sein können. Marie schluckte. Sie durfte nicht zulassen, dass die Angst in ihr die Oberhand gewann. Es würde schon alles gutgehen. Kleiner und kleiner wurden die Umrisse ihrer Kinder, bis sie ganz aus ihrem Blickfeld verschwunden waren.
*
Auf der Hauptstraße des Dorfes war der Schnee, der über Neujahr gefallen war, längst geräumt worden. Graue traurige Klumpen säumten die Gehsteige, und Paul musste achtgeben, dass er mit seinem Ford nicht zu heftig in diese vereisten Schneeschollen fuhr, als er nahe der Brauerei seinen Wagen parkte.
Ein breites Tonnengewölbe trug die Eingangshalle, von der aus Paul das Treppenhaus betrat, das ihn zu den Büroräumen im ersten Stock führte. Der Pförtner hatte den Brauereibesitzer über Pauls Kommen verständigt, doch dieser ließ den jungen Hopfenbauern noch einige Minuten warten.
Angespannt rutschte Paul auf dem Besucherstuhl in Schenkhofers Büro herum und besah sich die reich verzierten Wandtäfelungen, die dem Raum die Aura gediegenen Wohlstands verliehen. Mit einem breiten Lächeln trat der Brauereibesitzer schließlich ein.
» Servus, Paul « , begrüßte er ihn. » Das war ja ein schöner Zirkus mit deinem Buben. «
Paul war fest entschlossen, sich von dieser Spitze nicht in die Defensive drängen zu lassen. » Na schau, und du hast noch nicht einmal Eintritt zahlen müssen « , erwiderte er demonstrativ lächelnd.
Schenkhofer hatte inzwischen auf seinem gepolsterten Schreibtischstuhl Platz genommen und lehnte sich gelassen zurück.
» Also, was ist? Wir haben ein Geschäft ausgemacht « , begann Paul.
» Ein Mann, ein Wort « , antwortete Schenkhofer und zog die Lade auf, in der er sein Bargeld aufbewahrte. Er griff hinein, ertastete das Geldbündel mit zwei Fingern und warf Paul die zusammengerollten Scheine auf den Tisch.
Für einen Moment sah Paul den Mann verdutzt an. Respektlos war das, einfach unverschämt. Doch dann nahm er die Scheine auseinander und zählte einen Schein nach dem anderen. Als Paul spürte, wie rasch er zum Ende kommen würde, wich die Farbe aus seinem Gesicht.
» Das sind tausend Mark weniger als ausgemacht « , sagte er schließlich tonlos. » Ein Spitzenpreis für einen Spitzenhopfen, hast du doch selber gesagt. «
» Der Markt richtet sich jede Woche neu aus « , antwortete Schenkhofer gelassen.
» Wie? Und da soll das Risiko allein bei uns Bauern liegen? Ich hab so viel in meine
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