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Der kalte Himmel - Roman

Der kalte Himmel - Roman

Titel: Der kalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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ausließen, und sobald er alt genug dafür war, lief er seinen Geschwistern einfach davon.
    Stundenlang saß er dann im Schuppen und beobachtete, wie die um den Hof wandernde Sonne durch die silbrig schimmernden und über die Jahre rissig gewordenen Holzwände ihre Lichtspiele auf den leergefegten Boden warf. Oder er legte die in der Scheune eines Hopfenbauern immer reichlich vorhandenen Hölzer zu meterlangen Mustern zusammen, die er sich so und nicht anders ausgedacht hatte und deren Ordnung ihn stundenlang zu fesseln vermochte.
    Und doch hatte sich in Marie die Bewegung seines Vogelspiels zu einem Bild verfestigt, das stärker als alle anderen das Rätsel seines Wesens fühlbar werden ließ. Erst im wiegenden Rhythmus seiner schwingenden Bewegung schien er ganz er selbst zu sein, frei und sicher zugleich, wie sie ihn sonst nie erlebte.
    *

Der Dieselmotor von Sepps Laster war eines der Geräusche, das die Aufmerksamkeit eines jeden normalen Jungen auf sich gezogen hätte. An diesem Tag hatte es sich Paul nicht nehmen lassen, den Magirus-Deutz selbst zu steuern, um die gebraucht gekaufte Hopfenmaschine, auf die er schon seit Monaten ein Auge geworfen hatte, sicher nach Hause zu bringen.
    » Sauber « , grinste Paul und zündete sich im Führerhaus eine Zigarette an.
    Wie zur Bestätigung echote Sepp einen von Pauls Lieblingssprüchen. » Siehst du, der Aufschwung ist für alle da! «
    » Sag ich doch « , jubelte Paul und nahm nun die Abzweigung von der Landstraße, die direkt zu seinem Hof führte. Hier gab er noch einmal Gas.
    » Da wird die Marie aber Augen machen « , legte Sepp nach, doch diesmal lächelte Paul nicht, sondern trat nur erneut tüchtig aufs Gaspedal.
    In diesem Moment sah er, wie aus dem Nichts ein Schatten aus dem nahen Hopfenfeld geflogen kam. Felix.
    Der Schrei, von dem Paul später nicht mehr wusste, ob er aus seinem Mund oder aus Sepps gekommen war, rauschte in seinen Ohren, als er die Doppelachsen des Magirus-Deutz mit mehr als zwanzigtausend Kilo Gesamtgewicht zu einer ohrenbetäubendem Vollbremsung brachte.
    *

Kaum mehr als einen Kilometer entfernt stach Marie gerade im Gemüsegarten den Rotkohl für das Mittagessen, als sie den Postboten schon von weitem auf den Hof zu radeln sah. Bis zum Mittag wollten ihre Schwiegereltern, die zu einem Krankenbesuch in die nahe Kreisstadt gefahren waren, wieder zu Hause sein, und auch Lena und Max wären dann von der Schule zurück.
    Wie still es war, wenn die anderen fehlten. Ihre Schwiegermutter Elisabeth verließ den Hof fast nie, und auch ihr Schwiegervater Xaver war seit seinem Rückzug aufs Altenteil kaum mehr über die Dorfgrenze hinausgekommen.
    Ganz gegen seine Gewohnheit hatte auch ihr Mann Paul den Hof heute in aller Herrgottsfrühe verlassen. Sogar den Kaffee, den sie jeden Morgen frisch für ihn aufbrühte, hatte er achtlos stehen lassen. In kleinen Schlucken hatte sie ihn dann lauwarm ausgetrunken, während sie das Frühstücksgeschirr beiseiteräumte.
    » Frau Moosbacher? «
    Marie lief dem Postboten entgegen und legte den Rotkohl auf die Bank vor der Haustür.
    » Des müssen’s quittieren. «
    Marie schielte auf das Einschreiben, bevor sie sich die Hände an ihrer Schürze abwischte. Ein Stempel mit dem Aufdruck » Kreisschulbehörde Hollertau « war als Absender zu lesen. Rasch griff Marie nach dem Kugelschreiber und quittierte das Schreiben.
    *

Auf der Landstraße, die zum Hof führte, stand die Tür des Fahrerhauses weit offen, als Paul zu Tode erschrocken vor seinem Sohn auf die Knie ging. Sepp saß noch immer reglos auf dem Beifahrersitz und sah, wie sein Freund am ganzen Körper zitterte.
    Paul umschlang seinen Jungen und hielt ihn so fest er konnte. Felix verharrte stocksteif in seinen Armen und starrte dabei auf das überdimensional verlängerte M des Kühlergrills. Seine Augen hielten sich daran fest, während sein Vater gleichzeitig schrie und schluchzte. Im Gegensatz zu sonst wehrte sich Felix nicht. Er blieb einfach stehen und ließ den Ausbruch über sich ergehen.
    Irgendwann lockerte Paul seine Umarmung und suchte Felix’ Blick. Doch je mehr sich sein Gesicht dem seines Sohnes näherte, umso bemühter starrte Felix an ihm vorbei. In den Augen des Jungen erkannte Paul die Ratlosigkeit eines Menschen, der sich im Nebel verlaufen hatte. Aber hier war kein Nebel. Der leichte Dunst des frühen Morgens hatte sich verzogen, und unter dem grauen Himmel traten die Konturen dunkel und scharf hervor.
    Was war nur mit diesem

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