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Der kalte Himmel - Roman

Der kalte Himmel - Roman

Titel: Der kalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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bereitete stündlich Wadenwickel und betupfte die heiße Stirn des Kindes mit einem feuchten Waschlappen. Keinen anderen ließ sie an den Jungen heran, auch Paul musste draußen bleiben.
    Am dritten Januar war Felix so weit wiederhergestellt, dass er aufstehen konnte. Als Paul seinen Sohn das erste Mal wieder in der Küche sitzen sah, erschien er ihm noch blasser als sonst. Zwischen der rechten Augenbraue und der Nasenwurzel schimmerte ein blaues Äderchen, das er so noch nie im Gesicht des Jungen gesehen hatte. Oder war es ihm einfach nur nicht aufgefallen?
    In diesen ersten Tagen des Jahres gingen sich Marie und ihre Schwiegermutter so weit wie möglich aus dem Weg. Seit ihrem Ausbruch in der Silvesternacht hatte Marie geschwiegen und kein direktes Wort mehr an Elisabeth gerichtet. » Bestell deiner Mutter, dass das Essen fertig ist « , sagte sie zu Paul oder » Ich geh dann «, zu Lena. » Bestell den anderen, dass ich erst am Nachmittag zurück bin. « Mit diesen kargen Botschaften hielt sie das Miteinander aufrecht, doch von einem gemütlichen Zusammensein konnte keine Rede mehr sein. Die Stimmung in der Küche ähnelte den frostigen Temperaturen draußen, jeder versuchte, so gut es ging durch diese Tage zu kommen. Die Winterferien würden erst in einigen Tagen zu Ende sein, und solange nutzten Lena und Max jede Gelegenheit, um der bedrückenden Stille im Hause zu entkommen. Meist rutschten sie mit den anderen Dorfkindern über den zugefrorenen Weiher oder versteckten sich in den weitläufigen Scheunen der anderen Höfe.
    *

Als Felix endlich wieder das Haus verlassen konnte, führte ihn sein erster Weg zur Fischerhütte am Neudorfer Weiher. Lena, die mit den anderen Kindern aus dem Dorf auf dem zugefrorenen Weiher Schlittschuh lief, beobachtete von der Eisfläche aus, wie er sich auf die schneebedeckten Holzbohlen legte und von dort in den Himmel starrte. Lena überlegte, wie sich die Welt anfühlte, wenn man sie so vom Boden aus betrachtete wie Felix. Sie wunderte sich, dass Felix mit keiner Bewegung auf die Stimmen der Kinder hier reagierte, so weit entfernt waren sie gar nicht. Lena verstand nicht, dass ihm nicht kalt wurde. Ganz sicher würde ihr Bruder fühlen, wie die Kälte langsam durch seine Wolljacke drang und die Füße in den Lederstiefeln steif werden ließ.
    Doch da setzte er sich abrupt auf. Aus der Ferne näherten sich phantastische Gestalten, die Lena schon vor einigen Minuten bemerkt hatte. Auch die Kinder auf dem Eis hatten sie längst entdeckt. Felix starrte die merkwürdigen Figuren an. Sie sahen aus wie Märchenwesen, die einem Bilderbuch entsprungen waren. Tiefrot, gold und blau schimmerten ihre Gewänder, sie trugen Kronen, und das Gesicht des einen war dunkel bemalt. Vorne am Feldweg, der sie zum Weiher hätte führen können, bogen sie ab und liefen direkt auf den Moosbacher Hof zu. Dann verschwanden sie aus Felix’ Blickfeld. Auch für Lena und Max waren die Sternsinger nicht länger zu sehen. Als Lena wieder zu ihrem jüngeren Bruder hinübersah, war Felix verschwunden.
    Die Kinder des Bistums sammelten wie jedes Jahr für wohltätige Zwecke, und wie jedes Jahr hatte Marie Süßigkeiten und ein Markstück beiseitegelegt, das sie ihnen überreichen konnte. Im letzten Jahr waren Lena und Max mit von der Partie gewesen, in diesem Jahr begrüßte Marie die Zwillinge des Andechs und den ältesten Schenkhofer-Sohn.
    Doch als die drei bunten Gestalten das Haus wieder verlassen hatten, legte sich ein Gedanke auf ihre Brust wie ein Stein. Würde Felix, dem schon die kleinste Veränderung Angst machte, jemals in ein solches Kostüm schlüpfen? Und mit den anderen Kindern von Haus zu Haus und Tür zu Tür zu wandern, immer wieder fremde Gesichter im Blick, grüßend und singend? Würde Felix je einer dieser drei Könige sein?
    *

Auf dem Moosbacher Hof war eine trügerische Ruhe eingekehrt. Xaver, der seine Pfeife am Neujahrsmorgen aus dem Dreck gezogen hatte, hüllte sich tief in seinen Qualm. Elisabeth hantierte noch eifriger im Haushalt als sonst, schwieg aber demonstrativ vor sich hin. Auch Marie und Paul sprachen nicht wirklich miteinander. Eine unsichtbare Spannung hatte sich aufgebaut, denn alle wussten nur zu gut, dass mit dem Ende der Ferien auch Felix’ erster Schultag näher rückte. An diesem Tag würde sich zeigen, ob der Junge den Anforderungen einer neuen Gemeinschaft gewachsen war oder ob die nächsten Sorgen auf sie warteten.
    *

» Wer aber gerne lernet, dem ist kein Weg zu

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