Der kalte Himmel - Roman
vom Traktor stieg. Paul zog sich eine Zigarette aus der Hosentasche, zündete sie unter dem Vordach an und trat ins Haus.
*
Nach dem Mittagessen hatte Marie im gemeinsamen Schlafraum das Fenster geöffnet und Pauls Anzug an den Laden gehängt, um ihn auslüften zu lassen. Der Zigarettenqualm hing schwer in dem Stoff. Maries Gedanken liefen im Kreis. So ging das nicht weiter. Sie musste mit ihrem Mann sprechen. Doch als Paul endlich vom Feld zurückkam, genügte ein Blick, um zu erkennen, dass das heute wohl kaum der richtige Zeitpunkt sein würde. Morgen war auch noch ein Tag.
*
» Ich lass mich doch von einem Weib nicht ins Bockshorn jagen « , brüstete sich Hochwürden Huber beim wöchentlichen Kartenspiel der Stammtischrunde.
» Du musst es ja wissen, Herr Pfarrer « , spottete der Andechs.
» Eine Frau als Kantorin, wo kommen wir denn da hin? Da herrscht doch Sodom und Gomorrha! « , legte Huber nach.
» Wenn es immer so einfach wäre … «, entgegnete Meyer gedehnt. Die erzkonservativen Ansichten des Pfarrers waren dem Rektor sichtlich ein Dorn im Auge. Er schätzte die Arbeit der jungen Kantorin, die mit dem Weihnachtskonzert eine allseits geachtete Arbeit geleistet hatte. Ihr Weggang würde einen großen musikalischen Verlust bedeuten. Manchmal hatte er nicht Übel Lust, alles hinzuwerfen. Mit so einem Sturkopf wie dem Huber ließ sich nicht wirklich zusammenarbeiten.
Paul hatte sich an der Theke schon zwei Schnäpse gegönnt, als er zu den anderen dazustieß.
» Und deinem Buben muss man den Teufel austreiben, da hilft alles nichts « , tönte der Pfarrer, den der Alkohol so richtig in Fahrt gebracht hatte.
» Jetzt hören Sie mit dem blöden Gerede auf, sonst vergess ich mich « , platzte es aus Paul heraus.
» Na, na « , drohte der Pfarrer.
» Jetzt hört auf zu streiten « , versuchte der Wirt, die aufgebrachten Gemüter zu besänftigen, und platzierte mit seiner Rechten zwei Krüge frischgezapftes Bier auf den Tisch, während er seine Linke beruhigend auf Pauls Schulter legte. » Wenn einer in die Hilfsschule muss, muss einer in die Hilfsschule « , warf er ein. » Da hilft alles nichts. «
Pauls Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. In ihm brodelte es.
» Hast doch eh noch zwei gesunde Kinder « , murmelte Otto.
Jetzt reichte es Paul. » Ihr redet vielleicht einen Scheißdreck daher « , schimpfte er.
» Geh weiter, Sepp, heb du das Blatt für mich auf « , sagte der Rektor und suchte den Blick des wütenden Paul. » Komm « , sagte er. » Setzen wir uns mal da rüber. «
Zögernd erhob sich Paul und griff nach seinem frischen Bier. An einem der gegenüberliegenden Tische rückte der Rektor seine Brille zurecht und rieb seine Fingerspitzen bedächtig aneinander.
» Paul « , sagte er mit gedämpfter Stimme. » Der Felix ist überfordert. Ich hab mit seiner Klassenlehrerin gesprochen. Er will sich einfach nicht in die Klassengemeinschaft einfügen. « Eine Pause entstand. » Und ich sehe es ja auch selber « , ergänzte der Rektor mit ruhiger Stimme.
Während der Mann sprach, raufte sich Paul nervös die Haare. Er hatte es kommen sehen. Von Anfang an war ihm klar gewesen, dass die Sache mit der Schule nicht gut gehen konnte. Er zuckte die Achseln.
» Felix war immer schon anders als die anderen. Viel verschlossener, aber in letzter Zeit, da komm ich gar nicht mehr an ihn ran « , gestand er ein.
» Hast du schon mit deiner Frau gesprochen? « , hakte der Rektor nach.
Paul seufzte schwer. » Die Marie will von Sonnroth nichts wissen « , sagte er leise.
» Der Bub quält sich doch « , sprach der Rektor weiter. » In der Hilfsschule muss er niemandem etwas beweisen. «
Nervös zündete sich Paul eine Zigarette an. Der Rektor war kein Schwätzer, und auch kein Sturkopf wie der Pfarrer. Heinrich Meyer war ein vernünftiger Mann, dessen Worte sich nicht einfach beiseiteschieben ließen. » Mach mir noch einen Kurzen! « , rief er zum Wirt herüber.
Der Rektor sah ihn eindringlich an. » Manchmal muss man Entscheidungen treffen, Paul. Auch wenn es wehtut. Es gibt Dinge, die kann dir keiner abnehmen. «
*
Als Paul an diesem Abend betrunken in sein Bett fiel, schlief Marie schon. Nachts wälzte er sich von schlechten Träumen gequält unruhig hin und her und weckte sie damit auf. Nur mühsam gelang es ihr nach einer Weile, wieder einzuschlafen.
Sie fühlte sich wie gerädert, als sie am anderen Morgen leise zur gewohnten Zeit aufstand, um das Frühstück für die Kinder zu
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