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Der kalte Himmel - Roman

Der kalte Himmel - Roman

Titel: Der kalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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geschenkt bekommen hatte, unberührt im Regal, seine Blechautos und Holzlastwagen hatte er wie Zinnsoldaten in Reih und Glied nebeneinander aufgestellt. Nur die Murmeln, die er sonst in einer kleinen Holzkiste aufbewahrte, lagen wie ein Gitternetz aufgereiht – so akkurat verbunden, als würden sie von unsichtbaren Fäden zusammengehalten.
    Auf Zehenspitzen näherte sich Marie seinem Bett, vorsichtig bemüht, seine Ordnung nicht zu zerstören, und zog ihm behutsam das Kinderbuch aus den Händen. Ganz ruhig lag er da, und in diesem Augenblick gab es nichts, was den schlafenden Felix von anderen Kindern unterschieden hätte.
    Als Marie ihr gemeinsames Schlafzimmer betrat, hatte Paul schon auf sie gewartet. Zärtlich hielt er ihr die Bettdecke hoch und zog sie sacht an sich. Während seine Finger ihren Rücken herunterwanderten, spürte er, wie verkrampft sie war.
    » Was ist? « , sagte er leise. » Manchmal denk ich, du magst mich gar nicht mehr. «
    » Unsinn « , flüsterte sie, was Paul zum Auftakt nahm, ihre Brüste zu streicheln. Als er ihr wenig später das Nachthemd hochschob und in sie eindrang, wusste sie sofort, dass sie nicht bei der Sache war. Alles, aber auch alles an diesem Tag stand zwischen ihnen. Sein Gesicht war ganz nah über dem ihren, und in diesem Moment begriff auch er, wie fern sie war. Er zog sich sofort zurück, blieb aber dicht neben ihr liegen und nahm sie in den Arm.
    » Ich mach mir Sorgen, Paul « , sagte sie leise. » Eine Erntemaschine! Wo sollen wir denn das Geld hernehmen? «
    Paul räusperte sich. » Einen Spitzenpreis für einen Spitzenhopfen hat mir der Schenkhofer in die Hand versprochen. Und mit der Maschine kann ich noch viel mehr Ertrag rausholen. Vertrau mir. «
    Er strich ihr über die langen Haare, die sie am Tag immer in einem Knoten verbarg und die nun im Schein der Nachttischlampe wie flüssiges Bernstein glänzten. Marie suchte seinen Blick. Wie gerne wollte sie ihm glauben. Und wie sehr wünschte sie für diesen kurzen Moment all das zu vergessen, was die Tage so schwer und manche Stunden so bitter machte.
    *

Der Nachtfrost wich nur langsam, als Marie am nächsten Morgen ihren Marktstand auf dem Platz vor der Barockkirche aufbaute. Sie hatte mehrere Kisten mit Wintergemüse vor sich ausgebreitet und sah schon von weitem, wie Frau Schenkhofer in ihrer Pelzjacke und einem kleinen schräg sitzenden Hütchen auf sie zukam.
    Unter dem hölzernen Gestänge der Auslage saß Felix auf einem alten Kissen und legte seelenruhig ein neues Muster aus all den Strünken und Blättern, die beim Verkauf zu Boden fielen. Marie warf ihm einen liebevollen Blick zu und beobachtete, wie er beim Sortieren der Abfälle leise vor sich hin zählte und die Gemüsereste wie Zahlen miteinander zu verbinden schien.
    Plötzlich hörte Marie erst leise, dann immer lauter, die Orgelklänge einer Bach-Fuge aus der nahen Kirche kommen. Fasziniert sah sie zu dem gesprengten Giebel des Barockdaches hinüber und bemerkte, dass auch Felix in seinem Zählen innehielt und gebannt dieser Musik lauschte, deren strenge Ordnung ihn sofort fesselte.
    » Fünf Feldsalat, fünf Weißkohl wie immer, Marie « , sagte Frau Schenkhofer, die inzwischen ihren Korb auf den Boden gestellt hatte und Felix damit den Blick auf ihre Stiefel versperrte. » Haben Sie schon gehört, dass wir einen neuen Kantor kriegen? «
    » Einen neuen Kantor? « , murmelte Marie, die bereits dabei war, das Gemüse in Zeitungspapier zu wickeln, und schaute kurz zu einem blauweißen VW -Bus hinüber, der ihr schon beim Ausladen aufgefallen war. Der VW -Bus war mit einer großen Sonnenblume bemalt und hatte ein Berliner Kennzeichen. Das sah man hier nicht alle Tage.
    » Frischen Rosenkohl hätte ich noch, wie gemalt schaut der heute aus « , lächelte Marie.
    » Ein Kilo nehm ich « , antwortete die Frau.
    » Aber gern « , antwortete Marie, wog das Gemüse, und ließ sich nun von ihrer Kundin den Korb herüberreichen, um alles zu verstauen.
    » Das macht … « , rechnete sie und addierte mit dem Bleistift auf einem Zeitungsrand die Beträge, als vom unteren Gestänge laut und klar Felix Stimme ertönte: » Eine Mark fünfundachtzig. «
    Marie starrte auf die von ihr errechnete Summe und suchte dann den Blick ihrer Kundin.
    » Eine Mark fünfundachtzig « , bestätigte sie.
    Der leise Stolz in ihrer Stimme war auch Frau Schenkhofer nicht entgangen. Erst jetzt bemerkte sie den Jungen, der da unter dem Marktstand saß und selbstvergessen Strünke

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