Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters

Titel: Der Kalte Krieg 1947-1991 - Geschichte eines radikalen Zeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stöver
Vom Netzwerk:
Verhaltensformen und trugen so wohl am nachhaltigsten zur weiteren Amerikanisierung auch der Bundesrepublik bei.
    Man kann vieles in der Kritik an Amerikanisierung und Sowjetisierung als nationale Antwort auf die Dominanz der Supermächte des Kalten Krieges verstehen. 14 Es ging in der Auseinandersetzung auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs fast immer auch um die Furcht vor dem Verlust nationaler Identität. Dies konnte man auch außerhalb Europas verfolgen, wo dem westlich-amerikanischen und östlich-sowjetischen Einfluß in den Regionen häufig noch deutlicher ein nationales, eigenes Modell entgegengestellt wurde, das sich dann unter anderem auch der religiösen Traditionen bediente. Es gehörte zu den klassischen Mechanismen des Kalten Krieges, daß diese Reaktionen wiederum in Washington als dezidiert antiwestlich bzw. kommunistisch und in Moskau als antisowjetisch bzw. antikommunistisch interpretiert wurden. Solche Reaktionen und Gegenreaktionen ließen sich seit dem Beginn des Kalten Krieges vor allem in den ehemaligen oder noch um die nationale Selbständigkeit kämpfenden europäischen Kolonialgebieten verfolgen, dann auch in der Blockfreienbewegung. Die Bildung eines Nationalstaats, «die Erfindung einer Nation» («Nation-Building») verlief in diesen Gebieten fast immer über den Versuch, dem bisherigen oktroyierten Modell der Kolonialmächte ein eigenes, nationales Modell entgegenzustellen. Bezeichnenderweise richtete sich der häufig von religiösen Würdenträgern unterstützte Protest in diesen Staaten daher vor allem auch gegen die kulturellen Einrichtungen. Der Auftakt zu den größten antiamerikanischen Protesten im von US-Truppen kontrollierten Südvietnam 1963, in deren Verlauf gezielt auch die «Amerikahäuser» angegriffen und zerstört wurden, ging von einem Mönch aus, der sich aus Protest gegen die Benachteiligung der buddhistischen Religion gegenüber dem von den Amerikanern geförderten Christentum auf einer Kreuzung in Saigon öffentlich selbst verbrannt hatte. 15
    Der weniger antiamerikanisch als vielmehr antibritische Gamal Abd el-Nasser, der fünf Jahre nach dem offiziellen Beginn des Kalten Krieges die vom Westen unterstützte ägyptische Monarchie beseitigte und das Land danach gezielt in die Blockfreienbewegung steuerte, setzte auf die Entwicklung eines nationalen «panarabi-schen» Sozialismus, ohne allerdings gleichzeitig eine Sowjetisierung zuzulassen. 16 Gern wurde dabei in den arabischen Staaten darauf verwiesen, daß sozialistische und islamische Prinzipien eng miteinander verwandt seien. Nassers Sozialismus-Modell orientierte sich allerdings nun gerade nicht am Islam, wenngleich auch er immer wieder betonte, daß beides miteinander vereinbar sein könne. Ausdrücklich schloß er die Fundamentalisten aus. Nassers Mitkämpfer und Nachfolger, Anwar el-Sadat, vermerkte in seinem auch im Westen veröffentlichten Geheimtagebuch, die ägyptische Revolution wende sich gegen den Imperialismus, gegen die Monarchie, gegen die Parteien, aber nicht zuletzt auch gegen den Klerus. 17 Das ägyptische Modell des Nation-Building fand in der arabischen Welt zahlreiche Nachahmer. In Syrien und im Irak gelang es der «Partei der Sozialistisch-Arabischen Wiedergeburt» («Baath- Partei»), bis über das Ende des Kalten Krieges hinaus zu bestehen. Mit dem libyschen Staatspräsidenten Moamar al-Gaddhafi, der sich ausdrücklich zum Nachfolger Nassers stilisierte, wurde dann auch die Stellung der Religion im panarabischen Nationalismus aufgewertet. In Libyen wurde der Koran 1976 zur Verfassung erklärt. Weitere eindrückliche Beispiele für die Abwendung vom Westen und vom Osten, bei gleichzeitiger Durchsetzung eines nationalen Modells, waren ab den späten siebziger Jahren auch im Iran und in Afghanistan zu verfolgen. Das Modell hieß hier isla-mistischer «Gottesstaat».
    Im Iran hatten die USA seit dem Konflikt mit den Sowjets 1946 konzentriert auf die Sicherung des energiepolitisch enorm bedeutsamen Raumes hingearbeitet. 18 Unter dem in der Schweiz erzogenen Schah Reza Pahlewi war die laizistische Umgestaltung des konservativ-islamischen Staates verstärkt und gegen alle Widerstände vorangetrieben worden. Eine erste Reaktion auf diese Verwestlichung war bereits 1949 die Gründung einer nationalen Partei des Iran gewesen, die sich insbesondere auch gegen die Ausbeutung der Ölreserven durch westliche Gesellschaften wandte. Unter dem Namen «Nationale Front» vereinigte sie unter der Führung des

Weitere Kostenlose Bücher