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Der kalte Kuss des Todes

Der kalte Kuss des Todes

Titel: Der kalte Kuss des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
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waren raffinierte Winkelzüge und taktische Fallen reine Zeit – und Kraftverschwendung. Stattdessen musste man möglichst schnell an Informationen kommen, solange der Verdächtige noch ansprechbar war, und seine Aussagen durch zusätzliche Beweise erhärten.
    Basarow lauschte Kassjanows Monolog aufmerksam und schweigend. Man zeigte ihm die Bilder von seiner Festnahme sowie Fotos von den Tatorten. Er saß in Handschellen vor dem Untersuchungsführer; es war ziemlich unbequem für ihn, auf diese Weise die Fotos durchzusehen. Kolossow half ihm dabei, obwohl auch er nicht allzu gelenkig war: Die Röntgenbilder der amtsärztlichen Untersuchung hatten gezeigt, dass infolge von Basarows Fußtritt eine Rippe angebrochen war. Das Atmen machte Kolossow Beschwerden, das Gehen noch mehr – die Ärztin hatte ihm einen straffen Verband um die Brust gelegt. Doch Kolossow konnte nicht anders: Er musste in sämtlichen Stadien dieses verteufelten Falles persönlich dabei sein.
    Nachdem Basarow sich die eindringlichen Empfehlungen des Untersuchungsführers angehört hatte, »sein Herz zu erleichtern und die Morde zu gestehen«, zuckte er nur ratlos die Achseln: Er verstand nicht, wovon die Rede war. Und warum fragte man ihn nach Lisa Ginerosowa und wollte von ihm wissen, wo sie sich befand? Er begriff die Frage gar nicht. Außerdem konnte er sich an kaum etwas erinnern . . . Vielleicht könnte man ihm einige Details wieder ins Gedächtnis rufen?
    Das war dann Kolossows Meinung nach der Hauptfehler Kassjanows: Er kam Basarow entgegen. Kolossow war der Ansicht, dass das Verhör an dieser Stelle hätte unterbrochen werden müssen. Aber Kassjanow – ein dickköpfiger Mensch – konnte es nicht leiden, wenn man ihm Vorschriften machen wollte. Und so erklärte er sich einverstanden, Basarow verschiedene Details der Mordfälle Grant, Jakowenko und Soljony »ins Gedächtnis zu rufen«. Basarow lauschte, offenbar durchaus interessiert. Doch als die Rede wieder auf Lisa Ginerosowa kam, erklärte er seelenruhig, er kenne das Gesetz; ihm stehe seit seiner Festnahme ein Anwalt zu, und ohne dessen Teilnahme an den Verhören sei er nicht länger gewillt, sich diese »lügenhaften, provozierenden und verleumderischen Anschuldigungen« anzuhören und lehne es ab, weitere Aussagen zu machen.
    Dabei benahm er sich ruhig – gar nicht wie der Mann, der noch vor wenigen Tagen im Griff der Einsatzleute wie ein Besessener gezappelt, gestöhnt, geheult, gebissen und alle mit den schlimmsten Flüchen beschimpft hatte. Über Nacht sperrte man ihn wieder in eine Einzelzelle. Am Morgen darauf meldete der Leiter des Untersuchungsgefängnisses, dass mit dem Häftling aus Zelle fünf etwas nicht in Ordnung sei. Sie eilten los, um nachzusehen. Basarow saß splitternackt im Lotossitz in einer Ecke der Zelle. Abgeklärt, ruhig, teilnahmslos. Seine Kleidung lag zerfetzt in einer Ecke; seine Arme waren voller Blut – zerbissen. Als der Krankenwagen kam und der Notarzt ihn versorgte, verhielt Basarow sich fügsam, doch sein Blick war abwesend.
    Eine Woche verging, und alles schien wieder in normale Bahnen zu geraten. Der Anfall von Selbstverstümmelung wiederholte sich nicht. Doch bei den Verhören schwieg Stepan weiterhin hartnäckig. Inzwischen kam die Ermittlung in wesentlichen Punkten voran, wie Kassjanow fand. In Otradnoje, auf der Datscha in Uwarowka, in der Wohnung der Zwillinge am Prospekt Mira und in der Mietwohnung Stepans hatte man gründliche Hausdurchsuchungen vorgenommen. Auf der Datscha und in Otradnoje wurden zwei zerrissene Sportanzüge Stepans aus Baumwolle gefunden. Bei einer ersten Express-Analyse entdeckte man zahlreiche Blutspuren an der Kleidung.
    Die biologische Untersuchung dieser Blutspuren wurde auf den 18. Juni festgesetzt – ein früherer Termin war nicht zu bekommen. Kassjanow hielt diesen Beweis für entscheidend. Er hatte nun kaum noch Zweifel an Basarows Schuld. Selbst wenn das Blut an Stepans Kleidung nicht die Blutgruppen Jakowenkos, Grants und Soljonys aufweisen sollte . . . Wer sagte denn, dass der Wahnsinnige nur diese drei ermordet hatte? Und nicht fünf oder zehn? In der heutigen Zeit verschwanden jeden Tag Menschen.
    Auch Kolossow selbst versuchte in dieser Woche, Genaueres zu erfahren. Er setzte sich mit den Angehörigen des Festgenommenen in Verbindung – das heißt mit seinen Brüdern Dmitri und Iwan. Denn aus der senilen neunzigjährigen Oma und der alten Hausangestellten war nichts Vernünftiges herauszubekommen. Sie

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