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Der kalte Kuss des Todes

Der kalte Kuss des Todes

Titel: Der kalte Kuss des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
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interessierte – wo Basarow sich vor und nach dem Überfall auf seine Braut verborgen haben könnte – , nicht aufklären.
    Immerhin konnte ein gewisser Konstantin Barinow einige wenige Angaben zu seinem »Meister« machen. In Barinow erkannte Katja jenen Mann wieder, der sich in Otradnoje um sie »gekümmert« hatte. Er war tatsächlich Trainer, Leichtathletik – und Judo-Champion, ein noch sehr junger Mann mit viel Elan und Energie. Barinow ließ sich lang und breit über das Unterrichtssystem des Survival-Camps und das »Überleben unter Extrembedingungen« aus und schien nichts zu verbergen.
    Kolossow versuchte von ihm zu erfahren, ob die Schüler sich an irgendwelchen »Orgien« beteiligt hätten, wie er sich ausdrückte, an der Jagd auf Haustiere zum Beispiel. Barinow druckste eine Weile herum und gab schließlich zu: Ja, Stepan Basarow hatte ein paar Mal solche Experimente durchgeführt. In einer Extremsituation wie im Krieg oder bei der Erledigung eines Spezialauftrags, wenn man kein Lagerfeuer anzünden kann oder der Lebensmittelvorrat aufgebraucht ist, müsse man auch mit »unüblicher« Nahrung überleben können, insbesondere mit dem rohen Fleisch erbeuteter Tiere. Barinow erbot sich diensteifrig, den Schaden zu ersetzen, und erzählte: »Die Jungs haben mal irgendwo Kaninchen gefunden, ihnen das Fell über die Ohren gezogen und sie ausgeweidet – außerdem, glaube ich, auch eine Ziege. Aber von dem Fleisch haben nicht alle gegessen. Die Hälfte fing sofort an zu kotzen. Stepan war schrecklich wütend . . .«
    Außerdem sprach Barinow sehr anschaulich von den Methoden der Selbstkontrolle und der Anpassung an die Gegebenheiten der Natur, von der tibetischen Lehre der »Entwöhnung von der Zivilisation«, vom Training solcher Legenden des Karate-Do wie Masutatsu Oyama und Hisataka Masayuki sowie von der Kunst des Überlebens »ohne alles«, wie die Schule von Kyokushinkai sie erarbeitet habe.
    Nach diesem Gespräch mit Barinow erschien es Kolossow eher verwunderlich, dass Stepan, falls er psychisch krank war, sich in all diesen Dingen auskennen und andere sogar darin unterrichten konnte (und offensichtlich gar nicht schlecht, denn das Überlebenscamp florierte, wie Barinow versicherte).
    Aus Kolossows Erzählungen wusste Katja von den vergeblichen Versuchen, die einzige potenzielle Augenzeugin in diesem Fall zum Sprechen zu bringen. In Rasdolsk hatte man unverzüglich die Landstreicherin Serafima aufgestöbert. Auch Kolossow hatte die Szene im Hof des Rasdolsker Milizreviers nicht vergessen. Er vermutete, dass die halb verrückte Bettlerin den »Werwolf« bei einem seiner Jagdausflüge in flagranti überrascht hatte. Aber was genau hatte Serafima dort gesehen? Wie einem Hund das Genick umgedreht wurde oder wie jemand einen Mensch ermordet hatte? Sidorow sowie Vertreter der Staatsanwaltschaft nahmen sich die Landstreicherin vor, sehr geduldig und sehr freundlich. Kassjanow lüftete nach jedem dieser Gespräche gründlich sein Büro und knurrte: »Wo hat man so was schon erlebt, dass ein Bekloppter über den anderen Aussagen macht? Mit solchen Vernehmungsprotokollen machen wir uns vor Gericht ja zum Gespött der Leute!«
    Zu viele Verrückte . . . Das begann auch Katja allmählich zu beunruhigen. Doch sie sprach ihre Befürchtungen nicht laut aus. Ohnehin brachte ihre tägliche Frage: »Hat Stepan gesagt, wo Lisa ist?« Kolossow beinahe zur Verzweiflung.
    Ein wichtiges Detail hatte Kolossow, der Katja sonst fast alle seine Karten freiwillig aufgedeckt hatte, jedoch verschwiegen: dass er sich persönlich um Lisas Verschwinden kümmerte und aus diesem Grund Renat Chalilow auf Stepan angesetzt hatte.
    Damit Renat mit dem »wahnsinnigen Werwolf« Kontakt aufnehmen konnte, wurde Stepan, für ihn unerwartet, in eine andere Zelle mit zwei Mithäftlingen verlegt. Gleichzeitig besuchte ihn eine Gruppe von Psychiatern aus dem Serbski-Institut, die sich den »Werwolf« vor der stationären Aufnahme persönlich ansehen wollten. Sie unterhielten sich lange und ausführlich mit Stepan. Ihre Schlussfolgerungen teilten die Ärzte der Staatsanwaltschaft Kolossow aber nur knapp mit: Der Kranke sei durchaus kontaktwillig, lehne die Schuld an den Morden kategorisch ab, scherze über die »nächtlichen Jagdausflüge«, weiche direkten Antworten aus, äußere rechtsextreme politische Ansichten und halte seine Inhaftierung für ein Missverständnis, für das er übrigens gar kein besonderes Interesse zeige; sehr viel mehr

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