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Der kalte Kuss des Todes

Der kalte Kuss des Todes

Titel: Der kalte Kuss des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
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begriffen und uns damit abgefunden.«
    Katja warf ihm einen Seitenblick zu. Sieh mal einer an, Herr Graf! Ein Wodka, und gleich bist du wieder obenauf.
    »Übrigens, an deiner schicken Krawatte fehlt die silberne Nadel, nach deren Echtheit dich der Knirps vorhin befragt hat.«
    Das Camp
    Das ehemalige Erholungsheim lag in einem schattigen, dämmrigen Nadelwald am Ufer des Flusses Kljasma. Ein dreistöckiges Gebäude mit verglastem Anbau, in dem sich früher die Kantine für die Urlauber befunden hatte, sowie ein kleineres, einstöckiges, frei stehendes Haus – vielleicht die ehemalige Krankenstation oder ein Verwaltungsgebäude – machten den gesamten Komplex aus. Im Augenblick erweckte nur das kleinere Haus einen bewohnten Eindruck.

8 Das Camp
    Die Anlage war von einer halb zerfallenen Backsteinmauer umgeben. Auf der Hofseite grenzte ein Hundezwinger daran an, in dem Boxer, Pitbulls und Schäferhunde untergebracht waren. Die Tiere begrüßten Sergejs Shiguli mit ohrenbetäubendem Gebell. Im Hof vor dem Hauptgebäude erblickte Katja zwei Burschen, braun gebrannt, barfuß und halb nackt. Sie bespritzten sich gegenseitig mit Wasser aus einem Schlauch.
    Der Geruch von Buchweizengrütze wehte vom Fluss herüber. Als Katja aus dem Auto stieg, sah sie am Ufer unter einer alten, schräg gewachsenen Birke eine regelrechte Feldküche, in der sich ein weiterer bis zum Gürtel nackter junger Mann zu schaffen machte; über seine Bermudashorts hatte er sich eine Schürze gebunden. Sein Kollege – im Matrosenhemd, die Hose des Tarnanzugs bis zu den Knien aufgekrempelt – hackte munter Holz.
    Stepan Basarow erschien ganz plötzlich, wie aus der Erde gewachsen.
    »Wir waren für heute Morgen verabredet, und jetzt ist schon Zeit zum Mittagessen«, bemerkte er, als er Sergej die Hand schüttelte und dann so tat, als erblicke er Katja erst in diesem Moment. »Hallo. Das ist ja ein unerwarteter Gast!«
    Katja fühlte sich unbehaglich. Offensichtlich freute Basarow sich nicht besonders über ihr Erscheinen und versuchte dies auch gar nicht zu verbergen. Sofort verspürte Katja Zorn auf Sergej: Er hatte sie aus unerfindlichen Gründen mit hierher geschleppt und in diese peinliche Lage gebracht.
    Basarow war ausgesprochen lässig gekleidet, in ein einstmals schwarzes, vom vielen Waschen und der Sonne jedoch ausgebleichtes Baumwoll-T-Shirt. Eine billige dicke Hemdbluse umspannte straff die durchtrainierten Schultern und die breite Brust. Die Ärmel waren bis zu den Ellbogen hochgerollt. Auf der braun gebrannten Haut sah man halb verheilte Schrammen und Abschürfungen.
    »Kann ich die Rosen in einen Eimer oder ein Wasserfass stellen?«, fragte Katja. »Ich möchte sie gern frisch überreichen.«
    Stepan schien ihre Bitte gar nicht gehört zu haben. Er besprach mit Sergej bereits lebhaft einen geschäftlichen Anruf: Irgendjemand hatte sich nicht gemeldet oder nicht rechtzeitig angerufen. Überhaupt kam es Katja von Anfang an so vor, als wolle Stepan ihr zu verstehen geben, dass sie Luft für ihn war. Immerhin erschien kurz darauf ein junger Kerl, ebenfalls in verschossenem T-Shirt, und bot Katja an, »sich um die Blumen zu kümmern«.
    »Willst du Tee?«, fragte er dann und ging sofort zum formlosen »Du« über. »Dann komm mit. Der Meister hat gesagt, ich soll mich auch um dich kümmern.«
    Katja blickte sich um: Sergej und Stepan waren bereits hinter dem bewohnten Haus verschwunden. »Der Meister« – wie sich das anhörte! Als Katja nach Otradnoje gefahren war, hatte sie sich das Survival-Ausbildungscamp als eine Art Kaserne vorgestellt: in Reih und Glied marschierende Rekruten, zackige Kommandos, Backsteine, die mit der Handkante zerschlagen wurden, Schaukämpfe. An Ort und Stelle aber sah alles anders aus. Die Stille fiel Katja als Erstes auf – eine Stille, wie sie für eine Gemeinschaft kräftiger junger Männer sehr ungewöhnlich war: keine Gespräche, kein Gelächter, keine Witze.
    Als sie um das dreistöckige Gebäude herumgegangen waren und zur Feldküche gingen, sah Katja mehrere Schüler des Camps. Es waren alles kräftige junge Kerle von ungefähr neunzehn Jahren aufwärts. Jeder war konzentriert mit irgendeiner Aufgabe beschäftigt – und diese Aufgaben waren ziemlich sonderbar.
    Einer beispielsweise saß im Lotussitz unter der schiefen Birke. Vor ihm stand ein gewöhnlicher Toilettenspiegel, und der junge Bursche bemalte sich sorgfältig das Gesicht. Doch Katja konnte keinerlei Tarnfarben entdecken. Im Gras vor dem

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