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Der kalte Kuss des Todes

Der kalte Kuss des Todes

Titel: Der kalte Kuss des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
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Amerikanern zerstört wurde. Der Mann wurde Partisan und floh in den Dschungel. Und dort blieb er achtundzwanzig Jahre lang. Der Krieg war längst zu Ende, aber er kämpfte weiter, ganz auf sich allein gestellt, weil er keinen Befehl erhielt, die Kampfhandlungen einzustellen.«
    »Achtundzwanzig Jahre als Partisan im Dschungel? Da hat er sich vermutlich in einen Wilden verwandelt«, bedauerte Katja den Japaner. »Und was hat er im Wald gegessen?«
    »Alles, was der Wald hergibt. Von Natur aus ist der Mensch ein Allesfresser. Man muss sich nur an ungewöhnliche Speisen gewöhnen.«
    »Können nur Männer unter solch extremen Bedingungen überleben?« In Katja erwachte allmählich die Reporterin; sie wurde neugierig. »Oder gibt es in deinem Survival-Ausbildungscamp auch Frauen?«
    »Wenn eine mutige Frau zu uns kommt und für das Training bezahlt, nehmen wir sie auf.« Basarow trank einen Schluck Tee. »Sie muss sich nur an bestimmte Regeln halten und ein paar Dinge vergessen.«
    »Welche?«
    »Übertriebenes Ekelgefühl zum Beispiel. Und dann muss sie eine Aufnahmeprüfung machen.«
    »Angenommen, ich käme zu euch und würde das Geld bezahlen – welchen Test müsste ich machen?«
    »Den einfachsten. Sagen wir mal. . .« Stepan bückte sich, scharrte im Gras herum und legte Katja etwas auf die Hand.
    Sie zuckte zusammen. Es war eine Raupe. Eine widerliche, sich windende, fette grüne Kohlraupe.
    »Ein Test für unsere Alice im Wunderland: › Iss mich. ‹ «
    »Was?« Katja schreckte entgeistert zurück.
    »Damit bist du bereits durchgefallen.« Stepan nahm die Raupe und steckte sie sich in den Mund. Einen Moment stockte er, und der fette grüne Wurm wand sich verzweifelt hin und her, eingequetscht zwischen seinen Zähnen. Dann schluckte er ihn hinunter.
    Katja spürte Brechreiz aufsteigen. Unter Aufbietung all ihrer Willenskraft riss sie sich zusammen und atmete tief durch.
    »Nicht sehr appetitlich, aber es geht. Man kann sich darauf einstellen. Nicolas Cage hat vor dem › Kuss des Vampirs ‹ lebendige Kakerlaken zerbissen. Das ist Hollywood. Aber im Wald kann man sich bei Hunger nicht mehr aussuchen, was man isst«, sagte Basarow mit ruhiger Stimme. »Nimm die nährenden Säfte aus allem in dich auf, was läuft und kriecht, hüpft und springt, muht und blökt. Der Ekel ist eine Frucht der Zivilisation.«
    »Aber die eigene Natur derart zu vergewaltigen – also weißt du. . .« Sergej, den diese Übelkeit erregende Vorführung ebenfalls sichtlich beeindruckt hatte, schüttelte sich.
    »Was ist in unserem Leben keine Vergewaltigung? Auch wenn man zur Arbeit geht, muss man sich oft gewaltsam überwinden, so wenig Lust hat man. Gewalt, Zwang, Selbstdisziplin – ohne kommt man nicht weit. Das haben meine Jungs hier sehr genau begriffen. Im Großen und Ganzen kommen wir gut miteinander aus. Wir tun keinem was . . .«
    »Ihr tut keinem was? Schön wär’s!«, platzte Katja heraus. »Während du hier Raupen futterst, richten deine Schüler Gott weiß was an. Abzeichen mit Blitzen. Altäre. Messer. Scharfe Hunde, mit denen Kinder gehetzt werden. Die reinste SS züchtet ihr heran! Supermänner, wie? Übermenschen, hm? Und wenn dann ein Zigeuner auftaucht, heißt es: Halali, die Jagd ist eröffnet!«
    »Was redet sie denn da?« Stepan wandte sich an Sergej. Der berichtete kurz von dem Zwischenfall auf der Landstraße.
    »Sag doch gleich, dass ihr Nazis seid! Stattdessen erzählst du irgendwelchen Schwachsinn von extremen Bedingungen und Selbstdisziplin!« Katja konnte sich nicht beruhigen.
    »Wir sind keine Nazis. Wir befassen uns überhaupt nicht mit Politik«, erwiderte Stepan, und wieder bemerkte Katja ein spöttisches Funkeln in seinem Blick. »Man kann nicht die ganze Herde nach einem einzigen räudigen Schaf beurteilen und den Hirten erst recht nicht. Also gut, gehen wir, und sehen wir uns die Jäger mal an.«
    Basarow führte sie zu dem bewohnten Trakt. Dort hatten sich vor der Freitreppe etwa fünfzehn junge Männer versammelt. Offensichtlich waren sie gerade von irgendeinem Training im Wald zurückgekehrt – außer Atem, erschöpft und schweißnass. Einer von ihnen, nicht besonders groß, aber gelenkig wie eine Katze, stieß einen lauten Pfiff aus und rannte auf Basarow zu. Halblaut besprachen sie irgendetwas miteinander. Katja musterte die »Neophyten« verstohlen. Nein, wie gewöhnliche Sportler sahen sie nicht aus, diese schmetterlingsbunten Jungen in ihren teuren Markenklamotten. Gepflegt wie teure,

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