Der kalte Kuss des Todes
Anhänger und Fans sie sind – ob von Oyama oder Takemura. Bei mir fangen alle wieder bei Null an. Ich sag den Jungs immer: Wenn ihr lernen wollt, wie man mit einer Waffe oder verschiedenen Spezialgeräten umgeht, dann sucht euch einen anderen Lehrer und ein anderes Survival-Ausbildungscamp – nachdem ich euch gelehrt habe, richtig zu leben und das eigene Leben so kostbar wie Gold zu achten, und nachdem ich euch die Bedingungen gezeigt habe, die euch auf dem von euch selbst gewählten Weg begegnen können. Ich sage euch, wenn ihr in den Zeiten des Krieges anfangt. . .«
»Du sprichst so seltsam vom Krieg, Stepan«, unterbrach ihn Sergej und lächelte Katja entschuldigend an. »Als könne er jeden Moment ausbrechen oder als habe er schon begonnen . . .«
Basarow nickte dem Koch zu, und der schenkte ihm und Sergej Tee ein.
»Der Krieg, Sergej, wird kommen. Da mach dir mal nichts vor. Es nutzt nichts, den Kopf in den Sand zu stecken und so zu tun, als wüssten wir von nichts. Ich habe in diesen Jahren Dinge gesehen . . . Wie viele Beispiele hat allein Jugoslawien geliefert! Man zerstört die Gemeinschaft der Slawen. Man reißt sie in Stücke. Jeder, der Lust hat, zerrt und schnippelt daran herum. Und das ist erst der Anfang. Wenn wir uns nicht bewusst machen, wer wir sind und wessen Blut in unseren Adern fließt, und wenn wir nicht zur Besinnung kommen und uns vereinigen und so fest zusammenballen wie meine Faust hier, ist es aus und vorbei mit uns. Man wird uns zerquetschen und vernichten. So war es, und so wird es sein: Nur der Stärkste überlebt. Wir aber sind schwach, kränklich, degeneriert. Unsere Männer. . .« Er blickte Katja an. »Apropos . . . Katja, was ist für einen richtigen Mann eine Beschäftigung, für die er sich nicht schämen muss? Wie siehst du als Frau das?«
Sie zuckte die Achseln. Was für eine seltsame Art, sich mit den Leuten zu unterhalten! Und dieser Blick. . . Ihr wurde beinahe unheimlich. Basarow schielte; außerdem lag etwas seltsam Bedrückendes darin, wie er einen Gesprächspartner anblickte: eine Mischung aus Schüchternheit und seltsamer Unruhe, sodass es einem peinlich wurde, ihm lange in die Augen zu schauen.
»Ich habe keine Ahnung«, sagte Katja. »Ihr Männer setzt selber eure Prioritäten.«
»Krieg, Jagd, Sex.« Wieder schien Stepan sie gar nicht zu hören. »Aber das Leben zwingt einen, sich um zweitrangige Dinge zu kümmern: Familie, Arbeit, Geld.«
»Entschuldige, aber deine Neophyten, wie du sie nennst, sind doch auch aus dem Grund zu dir gekommen, weil sie eine weitere Möglichkeit erlernen wollten, Arbeit zu finden und Geld zu verdienen.« In Sergejs Stimme lag Ironie.
»Es ist nicht meine Sache, womit sie sich später beschäftigen. Wir sprachen eben vom Krieg . . .Ja, möglich, dass manche meiner Schüler ihre Fähigkeiten zu Geld machen. Lokale Konflikte sind unvermeidbar. Der Kaukasus, Tadschikistan . . . das ist erst der Anfang. Jetzt sehen die Jungs sich in ihrer Fantasie als Söldner, Spezialagenten oder Partisanen. Na, und wenn schon. Sollen sie träumen. Die Hälfte wird gar nichts, und die andere Hälfte geht vielleicht ins Business, so wie mein Bruder. Niemand weiß, was ihn erwartet. Aber falls sie doch den Kriegspfad betreten, lehre ich sie nicht, wie man tötet – davon konntest du dich ja überzeugen. Ich lehre sie zu überleben. Berge, Steppen, Wälder . . . das sind die Orte, wo der Mensch der Gegenwart sich besonders schwach, schutzlos und nicht angepasst fühlt. Ich lehre die Menschen, unter extremen Bedingungen zu überleben. Ohne Ausrüstung, eiserne Ration, Kompass, Streichhölzer, Uhr. Sie werden keinen Hunger leiden, selbst wenn ihnen keine normale Speise zur Verfügung steht. Sie werden im Stande sein, fast alles zu essen, was die Natur uns gibt. Kein Scharfschütze wird sie abknallen können, weil sie wissen, wie man sich so verbirgt, dass keiner sie entdecken kann.«
»Auf so einen Unsichtbaren bin ich eben fast getreten«, warf Katja ein. »Wie lange hat er da eigentlich gelegen?«
»Sechs Stunden.«
»Übrigens, Stepan«, bemerkte Sergej, »dieses interessante Porträt, das bei euch hängt, wen stellt es dar?«
»Einen japanischen Offizier. Wenn ein Neuling zu mir kommt, zeig ich ihm das Bild und sag ihm, er soll all seine Kampfsportidole vergessen, von Steven Seagal bis Jackie Chan. Sie sind nichts im Vergleich zu diesem Mann. 1943 sprang er mit dem Fallschirm auf die Insel Guam im Pazifik ab, wobei der Fallschirm von den
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