Der kalte Kuss des Todes
absichtlich nicht gemeinsam mit mir gefahren?«
Sie zuckte die Schultern.
»Nein, wieso? Sergej wollte mit Ihrem Bruder über Geschäfte sprechen, und deshalb haben wir verabre. . .«
»Ich führe die Geschäfte meines Bruders.« Dmitri kam noch näher. »Ist Wadim längere Zeit verreist?«
»Für zwei. . . für eine Woche.«
»Und sind Sie schon lange mit Sergej befreundet?«
»Sergej kenne ich seit meiner Kindheit. Er ist ein Freund von Wadim und mir.«
»Darf ich Sie morgen anrufen?«, fragte er ganz unvermittelt und beugte sich zu ihr, um sie zu küssen.
»Ach, hier seid ihr. Katja – kannst du mir helfen, das Eis zu servieren? Es ist Zeit für den Nachtisch.« Lisa war auf die Veranda getreten, hatte die delikate Situation blitzschnell eingeschätzt und kam ihrer Freundin zu Hilfe. Dmitri ließ langsam die Arme sinken.
»Meine Hilfe braucht ihr wohl nicht, oder?«, fragte er.
»Du schlägst ja doch nur alles kaputt wie ein Bär. Komm, Katja.«
Doch Lisa führte ihre Freundin nicht in die Küche, sondern stieg mit ihr in den ersten Stock.
»Mir stehen dieses Essen, die Trinksprüche und die ganze blöde Datscha bis zum Hals«, flüsterte sie böse. »Als Stepan und ich noch keine eigene Wohnung hatten, haben wir hier gelebt. Ihm gefällt es hier – der Wald, sagt er, die Stille, die gute Luft. Aber ich hatte schon nach kurzer Zeit die Nase voll! Alles nur Gerümpel. Und der Alte hatte lauter Schrullen, ein echter Vertreter der schöpferischen Intelligenzija. Mal hat er Ikonen gesammelt, mal Samoware, mal alte bäuerliche Gerätschaften – Hufeisen, Räder, Kummets. Hat das ganze Haus mit dem alten Plunder voll gestopft. Kein Stil, kein Komfort. Wahrscheinlich wird die Datscha an Stepan fallen. Waleri hat ein Haus in Österreich, und Dmitri baut sich gerade ein finnisches Cottage neben dem Haus seines Vaters. Übrigens«, sie warf Katja einen Seitenblick zu, »nimm dich vor Dmitri in Acht.«
»Keine Bange.« Katja ging zur Balkontür und öffnete sie, um frische Luft in das verstaubte Zimmer zu lassen. Rings um das gesamte erste Stockwerk führte ein schmaler Balkon.
»Unser guter Dmitri ist nämlich kalt wie ein Fisch. Er hat nichts als Geld im Kopf. Und sein Geschmack in Bezug auf Frauen. . .« Lisa verzog das Gesicht. »Vulgär und grob. Er lässt sich gern bedienen. Es gab da mal so eine Geschichte. Bei einer unserer Feten hat er eine Freundin von mir kennen gelernt. Ein wirklich nettes Mädchen mit Stil, keine Vogelscheuche, aus wohlhabender Familie. Sie hat mich später angerufen, in Tränen aufgelöst. Dmitri war mit ihr umgesprungen wie mit der letzten Nutte. Na, du wirst selber sehen.«
»Gar nichts werde ich sehen«, erklärte Katja kategorisch.
»Das hat er mit Stepan gemeinsam, diese Rücksichtslosigkeit im Bett und. . . wenig Respekt für uns Frauen, wenig Zärtlichkeit, nichts als . . .« Lisa stockte erneut. »Sie sind Zwillinge, stehen sich sehr nahe. Manchmal denke ich, diese Nähe ist für sie das einzig Wichtige auf der Welt. Nur Dmitri kann auf Stepan Einfluss nehmen, nur auf ihn hört er. Und für Dmitri ist es umgekehrt genauso, er hängt an Stepan. Das ist ein echtes Gefühl, da täusche ich mich nicht.«
»Sergej und ich waren übrigens heute in diesem berühmten Survival-Camp«, bemerkte Katja und berichtete der Freundin kurz, was sie dort gesehen und erlebt hatte.
»Ja, ich war auch schon ein paar Mal dort. Männer! Immer müssen sie Räuber und Gendarm spielen, bis sie alt und grau sind. Wir Frauen haben nicht viel von den Kerlen. Vielleicht ist es dieses Survival-Camp, das ihn beeinflusst, aber vielleicht. . . Ich sagte ja schon, Stepan hat sich sehr verändert. Wir sind schon lange zusammen, aber jetzt kommt er mir manchmal wie ein völlig Fremder vor.«
»Du sagtest, dass er irgendeine Krankheit gehabt hat. War es etwas Ernstes?«
Lisa machte ein düsteres Gesicht.
»Es war ernst, aber jetzt . . .jetzt weiß ich nicht mehr. Ich wollte mich mit dir darüber beraten. Er hatte Trichinelliasis. Die › Raubtierkrankheit ‹ .«
»Raubtierkrankheit? Was ist das? Davon höre ich zum ersten Mal.«
»Die Symptome sind anfangs die gleichen wie bei einer Grippe: Fieber mit Temperaturen bis an die vierzig Grad. Sich mit Trichinelliasis zu infizieren, sagte der Arzt, ist in der heutigen Zeit genauso leicht möglich, wie sich irgendeine Tropenkrankheit zu holen. Und schuld an allem ist nur Stepans Snobismus und seine Geltungssucht.«
Katja lauschte ihrer Freundin immer
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