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Der kalte Kuss des Todes

Der kalte Kuss des Todes

Titel: Der kalte Kuss des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
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angeschraubten Hocker fallen. Er sah viel jünger aus als achtzehn. Ein unverhältnismäßig großer Kopf, kurz geschorenes Haar, ein schmächtiger Körper, Hände mit schmutzigen, abgebrochenen Fingernägeln. »Ich will schlafen«, teilte er mit, als wäre es eine große Neuigkeit. »Wo ist Lenja?«
    »Dein kleiner Bruder ist schon zu Hause.« Katja lächelte liebenswürdig. »Er ist entlassen worden, Kostik. Auch dich wird man bald entlassen. Sobald alles aufgeklärt ist, kannst du deiner Wege gehen.«
    »Gut.«
    »Ich möchte dich Folgendes fragen.« Katja dachte einen Augenblick nach. »Bist du zusammen mit deinem Bruder oft nach Mebelny gegangen?«
    »Ja.«
    »Und seid ihr zusammen auch mal nach Polowzewo oder nach Uwarowka gegangen?«
    »Da muss man mit dem Bus fahren. Wir haben kein Geld. Manchmal sind wir zu Fuß hin, aber selten.«
    »Ihr wart also schon mal dort. Und habt ihr unterwegs jemanden getroffen? Männer mit Hunden zum Beispiel?«
    »Hunde muss man an der Kette halten«, sagte Kostik belehrend.
    »Also ihr habt im Wald keine Leute mit Hunden gesehen?«
    »Nein.«
    »Und es hat euch auch niemand im Wald erschreckt, beschimpft oder beleidigt?«
    »Oder hat der böse Wolf dort das Rotkäppchen gefressen?«, mischte Kolossow sich ein. »Katja, was willst du eigentlich von ihm wissen?«
    »Hat jemand euch beleidigt?«, wiederholte Katja hartnäckig.
    »Mich beleidigt keiner«, erklärte Listow. »Und wenn, kriegt er’s von mir und meinem Bruder. Guck mal, was für Muskeln ich habe.« Er hielt ihr seinen mageren Arm vor die Nase. »Den pack ich an der Gurgel und mach ihn kalt, den Hurensohn!«
    »Immer mit der Ruhe.« Kolossow zog ein finsteres Gesicht.
    »Du bist also im Stande, einen Menschen umzubringen, Kostik?«, fragte Katja.
    »Na klar.«
    »Und das tut dir nicht Leid?«
    »Nee, wieso? Menschen gibt’s genug.«
    »Hast du’s denn schon mal probiert?«
    »Nee. Wozu?«, fragte Listow verwundert zurück und gähnte wieder ausgiebig. »Ich will schlafen.«
    »Wäre es dir nicht unheimlich, einen Menschen zu töten?« Katja ließ nicht locker.
    »Was ist daran unheimlich? In der Schlucht im Wald ist ’n Hund erwürgt worden. Lenja und ich sind hingegangen, um uns das Vieh anzugucken. Ein ganz normaler Köter, bloß tot, und sein Kopf schaukelt hin und her, genau wie bei diesem Kerl auf der Birke.«
    »Was war das für ein Hund, Kostik?«
    »Ein böser. Den haben sie an der Tankstelle in Mebelny gehalten. Dann ist er denen weggelaufen, das haben uns die Jungs dort erzählt. Und dann haben sie das Biest in der Schlucht gefunden. Den Kopf ganz verdreht.«
    »Wann habt ihr euch den Hund angesehen?«, fragte Kolossow.
    »Weiß ich nicht mehr.«
    »Im Winter, als Schnee lag?«
    »Nee, wir hatten damals Flaschen mit, für Birkensaft.«
    »Und kam der Saft schon?«
    »Nee, der kam noch nicht. Was wollt ihr denn noch alles wissen? Ich will schlafen!«
    Katja stand auf. Kolossow rief den Wachhabenden, und Listow wurde abgeführt.
    »Man muss mit den beiden reden, Nikita«, sagte Katja. »Ausgiebig. Da muss ein Psychologe ran.«
    »Du hast doch was Bestimmtes von Listow gewollt, nicht? Was wolltest du wissen?«
    »Nichts.« Sie wandte sich ab. »Was war das für eine Geschichte mit dem erwürgten Hund?«
    »Nikita Michailowitsch?« Der Wachhabende schaute ins Zimmer. »Die Experten aus Moskau brechen jetzt auf und lassen fragen, ob Sie mitfahren wollen.«
    »Ich bleibe, aber meine Kollegin hier können sie mitnehmen. Sagen Sie den Leuten, sie sollen noch ein bisschen warten.«
    Vor dem Büro trafen sie Sergej Nowogorski. Katja kannte ihn sehr gut: Er war der führende Fachmann in der Abteilung für Spezialuntersuchungen. Ein blendend aussehender Mann, und das wusste er selbst nur zu gut. In seiner Abteilung waren sämtliche weiblichen Angestellten in ihn verliebt. Nowogorski war ununterbrochen damit beschäftigt, zu heiraten, sich scheiden zu lassen, die Wohnung zu tauschen und Alimente zu zahlen. Aber die Hoffnung auf ein privates Glück gab er dennoch nicht auf.
    »Katja, schließt du dich uns an? In einer Viertelstunde fahren wir. Was habt ihr da, Tee?« Nowogorski wandte sein markantes Profil zum Tisch. »Mach mir auch einen, Katja, schön stark. Ich bin total erledigt von dieser Plackerei.«
    Er lächelte charmant.
    »Gibt es aus deiner Sicht irgendetwas Interessantes am Fundort, Sergej?«, fragte sie, während sie die zuvorkommende Gastgeberin spielte und Tee kochte. Kolossow goss dem Experten die Reste

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