Der Kalte Kuss Des Todes
was er sagt«, befahl die Stimme.
Ich machte einen respektvollen Knicks und kehrte ihm dann mit ängstlich pochendem Herzen den Rücken zu. Ich schaute meinen Vater an, sah sein stolz gerecktes Kinn, sah aber auch den beinahe ängstlichen Ausdruck in seinen Augen. Matilde, meine Stiefmutter, stand neben ihm, die Hand an ihrer Opal-Halskette. Sie hatte den Mund geöffnet, als wolle sie etwas sagen, ihn vielleicht aufhalten …
Dann presste sie die Lippen zusammen und senkte ihre saphirblauen Augen zu Boden, blickte auf die riesige Blutlache vor ihren Füßen.
» Auf mein Kommando, Genevieve, läufst du weg.«
Kalte Finger legten mir die Kette um meinen Hals. Die Steine fühlten sich schwer an auf meiner klammen Haut.
»Ein Geschenk für eine Königin, meine Sidhe-Königin«, sagte Bastien, das Monster, und drehte die Kette brutal herum, sodass sie mich fast erwürgte. Dann presste er seine Lippen an meinen Hals. Es fühlte sich an, als würde er mir sein Brandmal aufdrücken. Er zog scharf die Luft ein, nahm meinen Duft in sich auf. Ich unterdrückte ein Schaudern.
»Sidhe-Blut, süß und dick wie Honig«, schwärmte er, und in seiner Stimme schwang sowohl Vorfreude als auch Zufriedenheit. »Eine Sidhe – und Jungfrau obendrein, das stimmt doch, Alexandre? Du hast mir dein Wort gegeben, dass niemand ihr Blut oder ihren Körper anrühren würde. Und dass sie willens ist, sich von meinem Schwert aufspießen zu lassen.«
Meine dumpfe Betäubung zerbarst, und eine eisige Panik breitete sich in mir aus. Mein Urin rann warm an meinen Beinen hinab.
»Wie Ihr es wünschtet, Mylord.«
Ein verzweifelter Ausdruck huschte über das Gesicht meines Vaters, verschwand jedoch sofort wieder.
» Lauf !«, schrie die innere Stimme .
Und ich lief durch die schwere Eichentür hinaus in die Nacht, rutschend, schlitternd, mich in dem weiten Rock meines Brokatgewands verheddernd, keuchend, nach Luft schnappend, in der Gewissheit, dass ich nicht entkommen konnte, dass er mich einfangen würde, der Schatten …
Er packte mich von hinten, warf sich auf mich, drückte mich mit seinem Gewicht zu Boden, die Hand in mein Haar verkrallt. Dann schlug er die Zähne in meinen Hals, und ich schrie vor Schmerzen, flehte ihn an, mich zu verschonen …
Dann berührten seine Lippen die meinen, ein Kuss, kälter als der Tod.
Eine rotschwarze Leere umhüllte mich, während harte Hände beharrlich an mir zupften und zerrten. Ein würziger Geruch hing in der Luft, ein süßer Kupfergeschmack lag auf meiner Zunge, und ich war von einem feinen goldenen Nebel umgeben wie von einer Aurora. Ich war schon einmal hier gewesen, hatte an derselben schwarzen Seidenkordel gehangen, die mich auch jetzt durchdrang, umwickelte und mich an die rotschwarze Leere fesselte, die die Hände davon abhielt, mich zu zerpflücken und in alle Winde zu zerstreuen wie goldene Staubflocken.
» Genevieve .«
Maliks Stimme drang von oben und unten zu mir, undeutlich, verwirrend, und die schwarze Seidenkordel zerrte aus beiden Richtungen an mir, als wolle sie mich in Stücke reißen.
»Es ist zu viel Zeit vergangen, Vampir«, schnaubte eine eigenartig vertraute Stimme. »Ihre Seele hätte längst in ihren Körper zurückkehren müssen.«
»Meine Verbindung zu ihr ist nicht gerissen, Kelpie, aber ihr Widerstand gegen meinen Ruf ist stärker als beim ersten Mal, als ich ihre Seele freisetzte.«
» Genevieve .«
Diesmal kam der Ruf von unten, und er war kräftiger, drängender. Ich schwebte darauf zu.
» Genevieve .«
Ein Echo über mir. Ich zögerte.
»Es wäre besser gewesen, du hättest gewartet, bis sich der Zauber von selbst wieder umkehrt, so wie er es immer tut, anstatt die Magie zu forcieren.«
»Dann wäre Genevieves Körper der schwarzen Magierin ausgeliefert gewesen«, sagte er mit erzwungener Ruhe. »Das konnte und wollte ich nicht riskieren.«
»Aye, aber was ist, wenn es schon zu lange her ist, wenn deine damalige Verbindung mit ihr reißt?« Die Worte klangen
harsch. »Ihre Seele könnte auf ewig herumirren – oder sogar schwinden .«
» Genevieve .«
Ein scharfer Schmerz durchzuckte mich, die Kordel riss, und ich wurde zurückgeschleudert …
Nackt und allein kam ich zu mir. Ich lag in der Großen Halle in einer riesigen Lache aus getrocknetem Blut. Die Luft war geschwängert von einem sauren Pfirsichgeruch, und ich musste würgen. Wie beim ersten Mal schien mir auch jetzt die helle Mittagssonne ins Gesicht. Die hohen Sprossenfenster
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