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Der Kalte Kuss Des Todes

Der Kalte Kuss Des Todes

Titel: Der Kalte Kuss Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne McLeod
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erwarten, bloß ein kurzer Gang zur Guillotine.
    Der Earl blickte mich erwartungsvoll an. Aha, die Peitsche hatten wir hinter uns, jetzt kam er mit dem Zuckerbrot. Pflichtschuldigst stellte ich die Frage.
    »Also, was willst du von mir?« »Direkt wie immer. Das ist eines der Dinge, die ich so an dir schätze, meine Liebe.« Er leckte sich die Lippen. »Aber erst die Pflicht und dann das Vergnügen.« Er wies lässig auf den Fernsehschirm. »Ich kann dieses Problemchen verschwinden lassen.«
    Überraschung!
    »Aha. Und wie genau?«
    »Na, ich habe Freunde in hohen Regionen.« Er runzelte die Stirn. »Oder war’s in tiefen?« Er grinste, als müsste ich den Witz verstehen. Tat ich aber nicht. »Na, jedenfalls Freunde«, fuhr er in näselndem Ton fort, »die sich mit Recht Sorgen über die derzeitige Situation machen.«
    Nun runzelte ich die Stirn. »Was für eine Situation?«
    »Na, mein tragisches Ableben, natürlich!« Er drückte meinen
Schenkel, und ich keuchte auf. »Mein Dahinscheiden hat eine große Lücke in der Londoner Vampirgemeinde hinterlassen. Ich fürchte, das Fehlen einer starken Hand könnte zu einem Chaos führen. All meine sorgfältigen Pläne, mein ganzes Geschick – zerstört durch Inkompetenz.«
    »Was zum -?« Der Earl musterte mich streng. Seine Hand lag noch auf meinem Schenkel. »Was meinst du? Ich versteh nicht.«
    »Dann erlaube mir, es dir zu erklären, meine Liebe«, sagte er herablassend. »Es war immer mein Ziel – und ich habe achthundert Jahre lang darauf hingearbeitet -, dass Vampire in dieser meiner Heimat respektiert werden und dass sie wiederum die Menschen respektieren.« Er zupfte seine Manschetten zurecht. »Nur so ist es uns gelungen, unsere Menschenrechte zurückzuerlangen; nur deshalb hat man uns nicht fast ausgerottet wie in Russland und in Asien. Wir müssen uns nicht in unseren Burgen und Schlössern verbarrikadieren wie der Rest der europäischen Vampire.« Er breitete die Arme aus, als würde er vor großem Publikum sprechen. »Und um sicherzustellen, dass dies so bleibt, kam ich auf die Idee, eine PR-Kampagne zu starten und überdies den Entertainmentsektor zu erobern. Aus blutsaugenden Parasiten, die sich dem Hexenrat beugen müssen, wurden gefeierte Stars, die die Macht haben, die Welt der Menschen zu beeinflussen.«
    Ich hatte Charlie Chaplin vor Augen, wie er die Weltkugel mit dem Po anstupste. Talk about Megalomania!
    »Ich fürchte, nun, da ich nicht mehr da bin, um die Dinge zu lenken, könnten die reaktionären Elemente innerhalb der Vampirgemeinschaft eine Situation heraufbeschwören, in der wir uns wieder verstecken und unsere Identität verleugnen müssen, nur um in Frieden leben zu können.«
    Ich verengte die Augen. »Ich weiß immer noch nicht, was du von mir willst.«

    »Du bist den Blutbund mit mir eingegangen, Genevieve.« Er strahlte mich an. »Du wirst mein Avatar.«
    »Hä?« Ich kapierte nur Bahnhof.
    »Alles wird klar werden, meine Liebe.« Der Earl wies mit der Hand auf die französischen Fenster. »Unsere Zeit wird knapp, fürchte ich. Der Morgen graut. Ich werde dich also verlassen, damit du dich ausruhen kannst.« Er schenkte mir sein charmantestes Lächeln und verschwand.
    Ich meine, er verschwand vor meinen Augen. Löste sich in Luft auf. Verblüfft starrte ich auf die Stelle, um mich davon zu überzeugen, dass sein Grinsen nicht noch in der Luft hing wie das der Katze aus Alice im Wunderland.
    Dann merkte ich, dass ich mich wieder bewegen konnte.
    Ich musste hier raus, wo immer hier auch sein mochte. Mühsam stemmte ich mich hoch, verfluchte dabei die rutschige Satin-Bettwäsche. Meine Arme und Beine fühlten sich an, als würden sie nicht zu meinem Körper gehören. Mein Herz machte einen Trommelwirbel, und der Monitor begann laut zu piepen -
    Die Schlafzimmertür sprang auf.
    Ein Mann trat ein, ein großes Tablett in den Händen. Auf seinem kalkweißen Gesicht lag ein besorgter Ausdruck. Er trug Jeans und ein zerknittertes T-Shirt. Seine Ellbogen und Handgelenke waren dick verbunden. Er blieb am Fußende des Bettes stehen und blinzelte mich hinter seiner dicken Brille aus riesigen Eulenaugen an. Seine Hände zitterten so stark, dass der Inhalt des Tabletts klirrte. Seine Stirn glättete sich, und er lächelte mich mit ebenmäßigen, weißen, menschlichen Zähnen an.
    »Ah gut, Sie sind wach, Ms Taylor.«
    Er trat näher, klappte kleine Holzbeinchen aus dem Tablett und stellte es auf meinen Schoß. »Ich hatte mir schon Sorgen um Sie

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