Der Kalte Kuss Des Todes
»Danke«, sagte ich und nahm zwei extradicke Latexhandschuhe aus der Box unter dem Schreibtisch. Ich streifte sie über und zog sie auch über meine Handgelenke. Dann nahm ich zwei silberne, mit dicken Industriediamanten besetzte Armbänder aus der danebenliegenden Schachtel und legte sie so an, dass die Latexhaut meine nackte Haut vor dem Silber schützte. Ich fand das fast ein wenig zu viel des Guten – immerhin besaß jeder Computer seinen eigenen Schutzzauber -, aber ich wollte trotzdem nicht riskieren, Tavishs Lieblinge mit meiner Magie zu beschädigen. Tavish mochte mich zwar, aber so gern hatte er mich dann doch wieder nicht.
»Geht’s dir gut?«, erkundigte sich Finn besorgt.
»Ja, prima«, antwortete ich, noch immer sauer wegen seiner Rauferei mit Tavish.
»Du siehst aber nicht gut aus, Gen.«
Ich warf einen Blick auf mein schlabberiges T-Shirt – mein derzeit einziges Kleidungsstück. Josephs Boxershorts waren mir zu groß gewesen, und vor seiner Sexclub-Reizwäsche war ich dann doch zurückgeschreckt. Tavishs Putzzauber hatte mein T-Shirt lediglich getrocknet und von Sand befreit, aber nicht gesäubert. Ich seufzte. Es stimmte, ich sah wirklich nicht allzu gut aus, aber was erwartete er nach allem, was ich durchgemacht hatte? Mehlexplosionen und Nahtoderfahrungen in der Tiefsee.
Ich drehte mich mit dem Sessel zu Finn um. Er lehnte mit lässig verschränkten Armen an der Glaswand. Seine Hörner besaßen wieder ihre übliche Länge von etwa drei Zentimetern. Auch sein Gesicht wies nun nicht mehr die scharfen, wilden Züge seiner wahren Natur, sondern die attraktiven, kräftigen seines Glamours auf. Kein Anzeichen deutete auf den Kampf hin, der stattgefunden hatte: Seine schwarze Anzughose war fleckenlos rein und knitterfrei, ebenso sein schwarzes Anzughemd mit den feinen kobaltblauen Streifen. Selbst seine Schuhe – ich traute meinen Augen kaum – glänzten wie frisch poliert. Er sah aus, als hätte er die Sachen gerade aus dem Schrank genommen, was wahrscheinlich auch der Fall war.
Seufz. Hauselfenmagie.
Ich zuckte die Schultern. »Nicht jeder von uns hat die Fähigkeit, frische Kleidung herbeizurufen , wenn er sie braucht.«
»Ich rede nicht von Kleidung, Gen.«
Er kam zu mir und ging vor meinem Stuhl in die Hocke. »Ich rede davon.« Er tippte sanft mit dem Finger auf eine wunde rosa Stelle an meinem Unterarm. Magie knisterte auf, wurde von den Pufferarmbändern aber sofort erstickt. »Du bist verletzt.« Seine moosgrünen Augen musterten mich besorgt.
»In ein, zwei Tagen bin ich wieder tipptopp«, erwiderte ich abwehrend. Ich hatte ihm seinen Rambo-Auftritt noch immer
nicht ganz verziehen. Mit verengten Augen fragte ich: »Was machst du überhaupt hier? Abgesehen von deiner kleinen Auseinandersetzung mit Tavish?«
»Beim Zeus, Gen«, stieß er gereizt hervor, »was glaubst du? Du bist seit Dienstag spurlos verschwunden; ich hab mir Sorgen um dich gemacht.«
»Aber jetzt bin ich wieder da.« Ich legte fragend den Kopf schief. »Bist du hier, um mir zu helfen, oder vielleicht aus einem anderen Grund?«
Er runzelte verwirrt die Brauen. »Natürlich bin ich hier, um dir zu helfen. Wieso sonst?«
»Na ja, vielleicht willst du ja deine Ex-Frau, Detective Inspector Helen Crane, anrufen und ihr mitteilen, wo ich bin, damit sie kommen und mich verhaften kann?« Ich versuchte, es scherzhaft zu sagen, aber mein Misstrauen war unüberhörbar.
»Helen ist Polizeibeamtin, Gen.« Mit verschlossener Miene stand er auf. »Sie muss den vorhandenen Spuren folgen.«
»Ach nee.«
Ich war enttäuscht. Klar, dass er sich auf ihre Seite stellte. Bloß, dass sie diese Spuren keineswegs unvoreingenommen verfolgte. Sie wollte mich hinter Gittern sehen – eine Konkurrentin weniger.
Ich drehte mich wieder zu den Monitoren um, drückte auf die Play-Taste und startete die Wiedergabe der CCTV-Aufnahmen. Mein Konterfei stemmte die Hände in die Hüften und schaute sich um.
»Sie braucht mich übrigens nicht zu verhaften«, bemerkte ich beiläufig. »Ich habe ein Alibi, jemanden, der beschwören kann, dass ich zur Tatzeit woanders war und Tomas nicht getötet haben kann.«
»Wer?«
Finns Spiegelbild erschien auf dem Bildschirm, wenig später
gefolgt von Cosettes. Ich blinzelte und drehte mich verblüfft um. Meine Knie stießen an Finns Beine, so dicht stand er neben mir. Cosette war nirgends zu sehen. Kacke, jetzt bekam ich auch noch Wahnvorstellungen. Als ob ich nicht schon genug am Hals hätte.
»Wer ist
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