Der Kalte Kuss Des Todes
stimmt’s?«
»Willst du mich etwa bei Hari verpfeifen?«
Er warf einen Blick zur Rezeption, wo Hari kopfwippend der Musik in seinem iTrod lauschte, der voluminöseren Version des iPods, speziell für Trolle.
»Natürlich nicht«, wehrte er ab. »Nach allem, was du für mich getan hast.«
Ich nickte, als hätte ich keine andere Antwort erwartet. Innerlich jedoch atmete ich auf.
Den Blick auf seine Handschellen geheftet, sagte er: »Ich bin hier, um meinen Dad zu besuchen, weißt du. Aber ich muss noch warten, bis ich vom Sicherheitspersonal abgeholt werde.« Er schnitt eine Grimasse.
Bobbys Vater war ein ganz normaler Mensch und lag auf einer ganz normalen Krankenstation – wenn auch in einem Privatzimmer -, aber da Bobby ein Vamp war, musste er natürlich erst die Sicherheitsmaßnahmen durchlaufen. Das magische Besteck diente dazu, ihn von irgendwelchen Vamp-Tricks abzuhalten. Er sollte schließlich nicht die anderen Patienten mesmerisieren oder Ähnliches. Bobbys Anwalt hatte diesen Kompromiss erst vor kurzem vor Gericht erstritten. Er hatte behauptet, Bobby das Besuchsrecht zu verweigern, das würde seine »Menschenrechte« verletzen.
»Wie geht’s deinem Dad?«, erkundigte ich mich. »Irgendeine Besserung?«
»Kleine Abweichungen in den Hirnströmen, aber das ist alles.« Er faltete seine Hände; die Handschellen klirrten, und seine Knöchel traten weiß hervor. Natürlich konnte ihn der Zustand seines Vaters nicht kaltlassen.
Und mich ebenso wenig. Ich fühlte mich nämlich mitschuldig an seinem derzeitigen Zustand. Eine paranoide Hellseherin hatte versucht mich umzubringen, und er war dabei sozusagen in die Schusslinie geraten. Ich kannte seinen Vater; er war ein netter Mann und hatte es nicht verdient, jetzt hier zu liegen.
»Kann Hari denn nicht sehen, wer du wirklich bist?«, erkundigte sich Bobby neugierig.
»Trolle können keine Magie fühlen.«
»Dann sind sie also wirklich ganz anders als Kobolde, ja? Sie können nicht sagen, ob ein Vampir Mesmer benutzt oder jemandem eine Gedankenfessel angelegt hat?«
»Sie sind insofern wie Kobolde, als Magie ihnen nichts anhaben kann. Aber während Kobolde übersensibel sind, merken Trolle überhaupt nichts.« Ich verschränkte die Arme. »Aber Trolle haben ausgezeichnete Augen. Sie können meilenweit sehen.«
»Aber Hari kann deine … ja was? Verkleidung? … nicht durchschauen.« Er deutete auf mein Bimbo-Ich.
»Es ist ein Glamour, ein Zauber, der lediglich die äußere Erscheinung verändert.«
»Aber ist er nicht ein bisschen, äh …« Seine Augen huschten über meine üppigen Formen. »Versteh mich nicht falsch, du siehst echt heiß aus, aber mit so’ner Figur fällt man auf.«
Ich schniefte. »Dass ich so aussehe, war nicht meine Idee. Außerdem kommst du ja auch nicht gerade unauffällig daher.« Ich deutete auf sein Goth-Outfit.
»Ich muss nachher zur Arbeit. Meine Schicht fängt um zweiundzwanzig Uhr an, und es geht schneller, wenn ich schon umgezogen bin. Außerdem hab ich keinen anderen Mantel.« Er schaute seinen Ledermantel fast verlegen an. »Ich hab noch nicht gelernt, wie man seine Körpertemperatur reguliert.«
Der Lift machte »ping«, und ich blickte hoffnungsvoll auf. Leider waren es weder Grace noch die Sicherheitskräfte, die Bobby abholen sollten, sondern nur ein Besucherpärchen, das das Krankenhaus verließ. Der Smalltalk mit dem Vamp schlug mir allmählich aufs Blut. Ich spürte, wie meine Haut zu jucken begann, und das ist immer ein schlechtes Zeichen, wenn man’s mit Vampiren zu tun hat und obendrein unter 3V leidet.
»Ich meine, ich weiß, ich hätte es längst lernen müssen«,
fuhr er fort, erhob sich und starrte mürrisch in die Tiefen des Getränkeautomaten. »Die anderen Jungvamps hatten’s alle nach spätestens sechs Monaten drauf. Bloß ich friere mir immer noch einen ab.«
Ich rechnete nach: Er hatte die Gabe mit siebzehn angenommen, wahrscheinlich als einer der Letzten, bevor das neue Gesetz in Kraft trat, das es jungen Menschen verbot, sich vor ihrem einundzwanzigsten Lebensjahr zum Blutsauger machen zu lassen.
Wie immer ein Vamp aussieht, wenn er die Gabe erhält, so bleibt er für immer. Dies ist der Grund, warum aussichtsreiche Kandidaten die meiste Zeit im Fitnessstudio verbringen. Und es ist heutzutage ein Problem für die ganz Alten, die fast aussehen wie Kinder und nicht mal Alkohol ausgeschenkt bekommen oder in irgendwelche Nachtlokale reingelassen werden. Schwer für sie, auf den
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