Der kalte Schlaf
Fragen.«
Ich weiß nicht, ob ich die Augen noch sehr viel länger offen halten kann. Ich muss schlafen. Wenn Simon nur gehen würde. Dann könnte ich mich auf dem durchgesessenen geblümten Sofa zusammenrollen und für mindestens eine Stunde wegdämmern, das weiß ich. Die Hoffnung, dass ich hier, in Hilarys Haus, besser schlafen könnte als daheim, gestatte ich mir nicht. Ich weiß nicht, wie ich auf diese Idee komme, und ich versuche, sie aus meinen Gedanken zu drängen, seit mir bewusst wurde, dass sie dort herumgeistert.
Wie es dazu kam, dass Luke, die Kinder und ich hier gelandet sind? Noch ein Detail, das ich Simon vorenthalten habe. Ich war sorgsam darauf bedacht, die Entscheidung für unsere neue Unterkunft als völlig logisch darzustellen. Wir wohnen jetzt eben bei Verwandten. Er hat es nicht in Frage gestellt, weil es sich von selbst versteht. Weniger logisch ist allerdings, dass Hilary und Kirsty, obwohl das Haus locker Platz für sechs Personen bietet, vorübergehend zu Jo und Neil gezogen sind, deren Haus schon vorher nicht groß genug war für alle Leute, die darin wohnen.
Es war die einzige Möglichkeit. Ich versuche, nicht darüber nachzudenken, wie es dazu kam, weil es mir panische Angst macht. Es ergibt überhaupt keinen Sinn. Tat es schon nicht, als es geschah, und doch wussten alle Anwesenden einschließlich mir, was geschehen würde, und begrüßten es wie einen vertrauten alten Freund, als es kam. Wir sind alle gewöhnt an den Wahnsinn, niemand lässt sich davon aus der Fassung bringen. Sobald wir allein waren, sagte ich zu Luke: »Das ist mehr als irrational.«
»Ich beschwere mich nicht«, entgegnete er. »Wir haben ein großes Haus ganz für uns allein, solange wir es brauchen, und es liegt an der Route des Schulbusses. Schätz dich glücklich, dass wir nicht bei Jo gelandet sind. Das wäre ein Albtraum geworden.«
Doch dann wurde mir plötzlich klar, dass wir zwar alle an diese Situation gewöhnt sein mögen, aber ich die Einzige bin, die das als »Wahnsinn« betrachtet.
Wir hätten nicht zu Jo ziehen müssen, es war alles andere als unvermeidlich, und es hätte nie so erscheinen dürfen. Es macht mir Angst, dass Luke das nicht ebenso klar erkennt wie ich. Anfangs bestand Jo darauf, dass wir erst mal zu ihr ziehen sollten. Es war das Erste, was sie sagte, noch vor »Geht es euch allen gut?«. Wir hätten dankend ablehnen können. Stattdessen machten wir ähm und hmm und versuchten zögerlich anzudeuten, dass es vielleicht nicht das Beste für sie wäre, wenn wir alle bei ihr aufschlagen würden. Wir versuchten, an ihr Eigeninteresse zu appellieren und nur daran. Weil das alles ist, was sie interessiert.
Seid doch nicht albern, sagte sie, ich hätte euch wahnsinnig gern alle bei uns, und dann fing sie an, über spezielle Betten zu reden, die sich aus Sesseln mit breiten Lehnen ausziehen lassen, mit richtigen Matratzen. Ich hörte nicht genau zu. Ich versuchte, einen Schalter in meinem Kopf umzulegen, damit ich zustimmen konnte, ohne sterben zu wollen. Habe ich mich schon zu diesem Zeitpunkt gefragt, wie Luke das empfand, oder erst später? Ich wusste, er würde nicht gerade versessen auf die beengten Verhältnisse bei Jo sein und darauf, zum ersten Mal seit fünfundzwanzig Jahren unter einem Dach mit seinem Vater zu leben. Aber war das alles, oder widerstrebte es ihm ebenso wie mir? Ich habe es nicht über mich gebracht, ihn zu fragen, wie er zu Jo steht. Er würde nur wissen wollen, warum ich frage, und die Frage an mich zurückgeben.
Hilary rettete uns. Sie sagte: »Ich habe eine bessere Idee, Jo. Warum ziehen Kirsty und ich nicht für ein paar Wochen hier ein? Ihr Schwestern hättet mehr Zeit für euch, was euch beiden wirklich guttun würde, und Amber, Luke und die Mädchen könnten in unser Haus ziehen und …«
»Danke«, rief ich, bevor sie ausgeredet hatte. »Das wäre wahnsinnig nett von dir, Hilary. Macht es dir auch bestimmt nichts aus?« Sie antwortete nicht sofort. Ich machte mir Sorgen, dass ich sie missverstanden haben könnte. Aber ihr Vorschlag war eindeutig gewesen. Da fiel mir auf, dass alle Jo ansahen. Alle: Luke, Neil, Hilary, Sabina, Quentin, Dinah und Nonie. William und Barney waren oben und schliefen. Ich hatte mich schon gewundert, dass Jo ihre Söhne nicht ebenfalls aufgeweckt hatte, das Familientreffen wäre noch besser besucht gewesen, der Raum voller. Quentin, Hilary und Sabina waren aus ihren Betten geholt worden, aus Gründen, die ich nicht
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