Der kalte Schlaf
ziehen kann. Welchen Gefallen soll ich Ihnen tun?«
Dazu muss ich mich setzen. Ich suche mir einen Stuhl aus, der nicht ganz so schmuddelig wirkt.
»Es gibt ein Haus in Surrey, ein Ferienhaus – Little Orchard. Ich war einmal dort, das war 2003 …«
Sie hebt die Hand. »Ich weiß, ich sagte, Sie könnten sich Zeit lassen, aber wenn wir sieben Jahre zurückgehen müssen …«
»Der Hintergrund ist nicht wichtig«, erkläre ich. »Ich möchte das Haus noch einmal mieten. Die Vermietung läuft über eine Website, sie heißt: Ferienhaus. DirektvonPrivat. Ich habe der Eigentümerin gestern Nacht eine Mail geschickt. Sie behauptet, sie würde das Haus nicht mehr vermieten, aber das war gelogen. Sie wollte es nur nicht an mich vermieten, aber … ich muss da nochmal hin.« Ich versuche, den Ausdruck auf Charlies Gesicht zu deuten. Ich hoffe, es ist keine Ungläubigkeit.
»Sie wollen, dass ich es für Sie buche, unter meinem Namen?«
Ich nicke. »Ich bezahle auch. Es würde Sie nichts kosten.«
»Ich will Sie nicht dazu ermutigen, aber … rein theoretisch … könnten Sie nicht einfach einen erfundenen Namen angeben?«
»Geht nicht«, sage ich. »Irgendwann wird Geld fließen müssen. Barzahlung wäre verdächtig. Ich brauche ein real existierendes Bankkonto auf einen Namen, der nicht meiner ist, und … das habe ich nicht.«
»Also haben Sie an meinen Namen gedacht?« Charlie lacht. »Sie sind unglaublich.«
»Sie müssten nur das Geld überweisen, das ich Ihnen geben werde, verabreden, wo Sie den Schlüssel abholen können, den Code für die Alarmanlage in Erfahrung bringen …«
»Amber, hören Sie auf. Selbst wenn ich die Zeit hätte, nach Surrey zu fahren und wieder zurück …«
»Das müssten Sie nicht. Ich bin Veronique Coudert nie begegnet …«
»Wem?«
»Der Eigentümerin. Ich habe sie nie getroffen. Sie weiß nicht, wie ich aussehe. Ich würde die Schlüssel abholen und sagen, ich sei Charlie Zailer. Das alles sollte Sie eigentlich nicht sonderlich in Anspruch nehmen.«
»Und doch haben Sie es als Riesengefallen bezeichnet.«
»Er ist … im Zusammenhang gesehen groß«, sage ich. »Praktisch gesehen, ist es fast nichts.«
»Ich verstehe. Es ist überwältigend schlecht und falsch, aber ich würde dabei nicht zu viele Kalorien verbrennen.« Sie schüttelt den Kopf. »Und die Eigentümerin, diese Coudert, wird bereit sein, mir ihr Haus zu vermieten, weil … ich nicht auf irgendeiner schwarzen Liste stehe?«
Ich bringe es nicht über mich, ihr zu widersprechen.
»Das heißt, Sie stehen auf einer schwarzen Liste. Warum?«
»Ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung«, versichere ich.
»Darf ich ebenso ehrlich zu Ihnen sein?« Sie schiebt den kleinen Finger in die Öffnung ihrer 7UP-Dose und versucht, sie hochzuheben. Die Dose fällt mit einem dumpfen Plong zurück. »Es wäre bereits wenig angebracht, Ihre beste Freundin um diesen Gefallen zu bitten, aber mich darum zu bitten, eine Polizistin …«
»Meine beste Freundin ist tot. Sie wurde ermordet«, versetze ich scharf. »Jemand hat vor zwei Jahren ihr Haus niedergebrannt.«
Charlie nickt. »Simon hat es mir erzählt. Sie müssen doch viele Leute kennen, Amber. Warum bitten Sie mich, das für Sie zu tun? Warum nicht Simon? Wann treffen Sie ihn?« Sie schaut auf die Uhr. Ich hasse sie, weil sie so viel weiß, weil sie so viel Macht hat und ich so wenig.
»Warum …« Ich muss innehalten, um mich zu räuspern. »Warum sollte ich Simon fragen? Er ist … Das ist nicht …« Meine Unfähigkeit, eine intelligente Abfolge von Worten zu bilden, erschreckt mich. Gestern Nacht habe ich zum ersten Mal, seit es mit meiner Schlaflosigkeit anfing, überhaupt kein Auge zugetan.
»Es hat nichts mit dem Tod von Katharine Allen zu tun«, versichere ich Charlie.
»Nicht?«
»Nein.«
Es stimmt. Ich weiß nicht, ob Jo irgendwas Unrechtes getan hat oder Neil. Ich weiß nicht, ob es irgendeine Verbindung zwischen ihnen und Little Orchard gibt – abgesehen davon, dass sie das Haus einmal gemietet haben. Ich weiß nicht, ob sie dort irgendwas in dem verschlossenen Arbeitszimmer versteckt haben, ich weiß nicht, was dort versteckt ist. Vielleicht gar nichts. Es ist schließlich etwas anderes, ob man etwas versteckt oder vor den Augen Unbefugter in Sicherheit bringt.
»Sie werden Simon von diesem Gespräch erzählen, stimmt’s?«
»Ja. Er ist mein Mann, und wir arbeiten beide für die Polizei. Wenn Sie dachten, Sie könnten mich überreden, Ihnen Ihren
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