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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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nachvollziehen konnte. Hilary hatte eine Nachbarin wecken müssen, damit sie in der Zwischenzeit auf Kirsty aufpasste. Ritchie, Jos Bruder, war eingeladen worden, hatte sich aber mit Krankheit entschuldigt. Ein verdorbener Magen.
    »Brillant!« Jo lächelte breit. »Perfekt. Unglaublich, dass mir das nicht selbst eingefallen ist.«
    Spürte Hilary, wie sehr es mir widerstrebte, bei Jo wohnen zu müssen, dass ich aber Angst hatte, das zu sagen? Hatte sie mich bewusst gerettet?
    »Amber? Sind Sie wach?« Simons Stimme.
    Meine Augenlider sind schwer wie Beton. Ich zwinge mich, sie zu öffnen. »Die Antwort auf diese Frage ist immer ja. Und ich habe keine anderen Antworten außer denen, die ich Ihnen bereits gegeben habe.«
    »Sie sind besser darin, Fragen zu beantworten, als alle, mit denen ich je zu tun hatte«, sagt Simon ernsthaft. »Deshalb habe ich auch noch weitere Fragen, weil Sie mir so viel erzählt haben. Verstehen Sie?«
    Ja . Ich bin zu erschöpft, um den Versuch zu machen, unnötige Worte zu formulieren.
    »Ihre Schwägerin, Johannah. Jo. Sie sagten, Sie haben sie gebeten, sich genau zu merken, was im Kurs passierte, um es Ihnen später erzählen zu können. Warum war es Ihnen so wichtig, diese Details zu kennen?«
    »Eigentlich hätte ja ich den Kurs besuchen müssen. Mir war klar, dass das, was Jo und ich da machten … also, im Grunde halte ich es nicht für unrecht – ich glaube, im großen Weltenplan spielt es weiter keine Rolle, ob Leute fälschlicherweise behaupten, an irgendwelchen sinnfreien Kursen teilgenommen zu haben, die für alle reine Zeitverschwendung sind –, aber mir ist klar, dass es gegen das Gesetz verstieß. Offiziell sollte ich diesen Kurs besuchen, habe es aber nicht getan. Wenn ich zumindest genau über alles Bescheid wusste, wenn ich das Gefühl haben konnte, irgendwie doch teilgenommen zu haben …« Ich schüttle ungeduldig den Kopf, meine langatmige Selbstrechtfertigung macht mich ganz krank. »Selbstbetrug, heißt die Kurzversion«, sage ich schließlich.
    »Als Sie sagten, Sie wollten bis ins kleinste Detail erfahren, was im Kurs behandelt wurde, hat Jo da nicht nachgefragt, hat sie sich nicht gewundert, warum Sie das wissen wollten?«
    »Nein. Ich glaube, sie dachte, ich wollte irgendwas erzählen können, wenn mich jemand fragte, wie es war.«
    Ist er unzufrieden mit meiner Erklärung? Schwer zu sagen. Es ist immer ein kritischer Ausdruck in seinem Gesicht, selbst wenn er Lob verteilt.
    »Sie haben Jo als einen Menschen beschrieben, der ›süchtig danach ist, die Moral hochzuhalten‹. Warum hat sie sich dann bereiterklärt, etwas Gesetzwidriges zu tun, etwas, das sie selbst für Unrecht hielt?«
    »Sie ist genauso süchtig nach Macht. Wenn sie ihre … moralische Reinheit für mich opfert, schulde ich ihr etwas.« Ich nage an meiner Unterlippe, unzufrieden mit meiner Antwort. Sie ist richtig, aber das ist noch längst nicht alles. »Sie ist oft richtig fies zu mir, aber … es ist immer ganz schnell vorbei, oft bevor ich es richtig begriffen habe, wie ein unterschwelliges Aufblitzen von Gemeinheit. Ich habe nie das Gefühl, ich könnte es beweisen. In letzter Zeit habe ich angefangen, mich zu fragen, ob sie das absichtlich macht.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Es ist eine Taktik. Sie fängt einen ein, indem sie mehr für einen tut, als irgendjemand erwarten könnte. Sie opfert sich auf, kocht mehr, rettet einen vor Unannehmlichkeiten. Und dann, wenn sie so nahe genug herangekommen ist und man ihr wieder vertraut, verpasst sie einem einen neuen mörderischen Schlag.«
    »Sprechen Sie weiter.«
    Wirklich? Er muss Masochist sein.
    Ich habe die offizielle Erlaubnis, einige der Dinge auszusprechen, die ich sonst immer verzweifelt für mich zu behalten versuche. »Sie sollte entweder tun, was sie kann, um mir zu helfen, ohne zu versuchen, mir Schuldgefühle einzuflößen, oder mir eben nicht helfen, weil es gegen ihre Prinzipien verstößt. Entweder oder. Ich habe sie nicht gebeten, für mich zu dem Verkehrserziehungskurs zu gehen. Sie hat es mir angeboten. Ich hätte ablehnen sollen. Dann hätte ich eben eine Zeitlang ohne Führerschein auskommen müssen. Na und? Einige der älteren Punkte sind sowieso fast verjährt. Sorry, Jo, aber du kannst nicht die böse Tat begehen und dich trotzdem als die Tugendhafte hinstellen. Wenn es so furchtbar falsch ist, dann lass es. Es sei denn, du willst einfach nur dabei gesehen werden, wie du mit großer Geste ein Opfer bringst, das umso

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