Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
Vom Netzwerk:
kümmere es ihn nicht sonderlich. »Vielleicht kann doch jemand bestätigen, dass ich gestern Nacht hier war, die Frau in der Wohnung unter mir. Wenn Sie Glück haben, wurde sie dadurch wachgehalten, dass ich jede halbe Stunde die Klospülung betätigt habe. Ich glaube, ihr Bett steht direkt unter meinem Bad.«
    »Wenn Sie Glück haben, meinen Sie.« Jetzt wo Ritchie es erwähnt hatte, würde Sam dem Hinweis nachgehen müssen. Entschuldigen Sie, Madam, können Sie bestätigen, dass Ihr Nachbar von oben den Großteil der gestrigen Nacht damit zugebracht hat, seinen Darm zu entleeren?
    »Da wir gerade bei dem Thema sind, Sie können mir nicht zufällig sagen, was Sie am 22. November 2008 gemacht haben?«, fragte Sam.
    »Keine Ahnung, sorry.«
    »In dieser Nacht wurde eine Frau ermordet, Sharon Lendrim, nicht allzu weit von hier entfernt. Haben Sie davon gehört?«
    »Ich glaube nicht, nein.«
    »Sie haben sie also nicht gekannt?«
    »Nein.«
    »Bei dem Namen klingelt’s nicht bei Ihnen?«
    »Nein.«
    »Was ist mit Katharine Allen?«
    Ritchie schüttelte den Kopf. »Sorry. Nein.«
    »Sagen die Wörter ›Lieb – Grausam – Liebgrausam‹ Ihnen irgendetwas?«
    »Sie meinen, abgesehen davon, dass lieb freundlich bedeutet und grausam …«
    »Ja.« Sam schnitt ihm energischer das Wort ab, als er vorgehabt hatte. »Abgesehen davon.«
    »Dann nein«, sagte Ritchie. »Tut mir leid, dass ich keine große Hilfe bin.«
    Entweder verbarg er höflich seine Neugier, oder er war nicht neugierig.
    »Was ist mit Dienstag, den zweiten November? Wissen Sie noch, was Sie an dem Tag zwischen elf und dreizehn Uhr gemacht haben?« Haben Sie eine Grundschullehrerin mit einer Metallstange erschlagen?
    »Sorry«, sagte Ritchie wieder. »Ich muss mir nicht so furchtbar viel merken, also neige ich dazu, das auch nicht zu tun. Wahrscheinlich könnte ich Ihnen nicht mal sagen, was ich gestern gemacht habe. Ich meine, gestern war ich ja krank, deshalb erinnere ich mich, aber sonst.«
    »Sie könnten ja mal in Ihrem Terminkalender nachsehen«, regte Sam an. Normalerweise wäre er davon ausgegangen, dass dem Befragten das von allein eingefallen wäre. »Und wenn Sie Ihren Kalender von vor zwei Jahren aufbewahrt haben …«
    »Ich habe keinen Terminkalender. Nie einen gehabt. Ich arbeite nicht, und ich treffe mich kaum mit Leuten – wenn ich weggehe, dann meistens zu Jo. Oder manchmal zu meiner Mutter, aber meistens zu Jo.«
    Mit anderen Worten, Sie haben kein Leben . Sam fragte sich, ob das allein ein Grund für Misstrauen war. »Sie hatten nie einen Kalender, nicht mal für Termine und Verabredungen?« Sie und Ihre Lieben verbringen also nicht Ihre Abende damit, zu überprüfen, ob alles, was im Kalender des einen Familienmitglieds steht, auch in den Kalendern der anderen steht? Aber vermutlich gab es so viele Lebensweisen, wie es Menschen gab, und Sams eigene war ja nicht notwendigerweise die beste.
    »Ich neige dazu, nichts zu planen. Ich mache das, wonach mir gerade ist, ganz spontan.«
    Schon gut, reit nicht darauf herum . »Was machen Sie, wenn Sie hierbleiben?«, fragte Sam und bereute es sofort. Hastig verbannte er das Bild von Ritchie, der auf der Toilette saß, die schwarzen Jeans um die mageren Knöchel. »Wofür interessieren Sie sich? Sind Sie gerade auf Jobsuche?« Soweit Sam sehen konnte, gab es keine Bücher in der Wohnung, keine Zeitschriften, keine CDs, keine Musikanlage, kein Radio – nichts, was darauf hingewiesen hätte, dass Ritchie sich für irgendetwas begeistern konnte. Aber vielleicht war ja auch alles auf seinem Computer: Filme, Musik, sogar Freunde.
    »Es gibt nicht so furchtbar viele Jobs, die ich gern machen würde«, erwiderte Ritchie. »Und ich sehe keinen Sinn darin, einfach irgendwas zu machen. Ich möchte einen Beruf, für den ich brenne.«
    »Was ist mit Geld verdienen?«, fragte Sam.
    Ritchie wirkte leicht verwirrt, als wäre das eine Erwägung, die ihm nie in den Sinn gekommen wäre, wenn Sam es nicht erwähnt hätte. »Ich habe da Glück. Jo und Neil unterstützen mich, in gewisser Weise. Jo ist großartig. Sie setzt sich immer für mich ein, wenn meine Mutter davon anfängt, dass ich faul sei. Ich habe ein schlechtes Gefühl deswegen, weil sie und Neil auch nicht viel haben, aber Jo meint, sie haben alles, was sie brauchen, und dafür sei die Familie ja da. Sie sagt, ich soll mir lieber Zeit lassen und in aller Ruhe überlegen, was ich mit meinem Leben anfangen will. Sonst würde ich noch im falschen Beruf

Weitere Kostenlose Bücher