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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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»Simon!«
    »Sie war bereit, dir das Haus zu vermieten, sagst du?«
    Charlie knirschte mit den Zähnen. »Vergiss es, Simon. Ich werde nicht …«
    »Miete es«, sagte er und stand auf. »Sobald wie möglich. Ist es im Augenblick frei?«
    Sollte sie so tun, als wüsste sie nicht, dass an diesem Wochenende niemand in Little Orchard erwartet wurde? Zu spät. Er konnte ihr die Wahrheit vom Gesicht ablesen.
    »Du könntest morgen losfahren«, sagte er.
    »Ich? Warum ich? Nein! Nein, ich könnte nicht morgen losfahren. Ich muss arbeiten, und ich …«
    »Melde dich krank. Hast du doch schon mal getan.«
    Nichts ist entschieden. Kann es auch nicht, solange du nicht einwilligst. Tu’s nicht. Weigere dich . »Warum fährst du nicht selbst?«
    »Jo Utting kennt meinen Namen und weiß, wie ich aussehe«, sagte Simon. »Wir treffen uns dort, aber sie darf nicht erfahren, dass es irgendwas mit mir zu tun hat. Was auch immer sie zu verbergen hat …«
    »Das ist doch verrückt, Simon. Es besteht keinerlei Notwendigkeit, zu irgendeinem x-beliebigen Ferienhaus in Surrey zu rasen. Du weißt ja nicht einmal, warum Amber unbedingt wieder in dieses Haus will. Warum redest du nicht mit ihr, oder mit Jo Utting, oder mit beiden?«
    »Das werde ich. Genau das werde ich tun. Und du wirst Little Orchard für dieses Wochenende mieten, damit ich sofortigen Zugang dazu habe, sobald ich mit Amber gesprochen habe und weiß, warum ich es brauche.«
    Charlie schloss die Augen. Mein gesamtes Leben könnte sich mit vollem Recht krankmelden, dachte sie.
    »Worauf wartest du?« Der Klang seiner Stimme unterbrach ihren Versuch, sich ein eigenes Urteil zu bilden. »Mach die Augen auf.«
    Kein Versteck, nirgendwo. So viel zur Privatsphäre. Und zur Autonomie.
    »Miete das Haus«, wiederholte er im Hinausgehen. Kurz darauf hörte Charlie, wie die Haustür knallend ins Schloss fiel.

 
    Schweigen wir ein paar Minuten, atmen tief und langsam, ruhig und gleichmäßig, lassen allen Stress und alle Anspannung los. Auch Sie, Simon. Ich befürchte, dass Ihr unruhiger Atemrhythmus Amber negativ beeinflussen könnte. Atmen Sie tief in den Brustkorb hinein, tief in den Bauch hinein. Ja, so ist es besser. Viel besser.
    Gut. Lassen Sie mich erklären, warum es so wichtig ist, dass wir ganz ruhig bleiben. Eine Erinnerung ist aufgetaucht, und wir haben jeden Grund zu der Annahme, dass sie wichtig ist. Aber das bedeutet nicht, dass es die einzige Erinnerung ist, die wieder auftauchen wird. Wenn eine verdrängte Erinnerung befreit wird, quellen oft andere mit heraus. Nehmen wir die neue Erinnerung also erst einmal gelassen zur Kenntnis. Wir tun einfach so, als hätten wir es schon immer gewusst. Das ist natürlich nicht der Fall, und genau das ist das Faszinierende an verdrängten Erinnerungen, die wieder hochkommen. Man zieht sie nie in Zweifel. Amber, Sie sagen, dass Sie sich sicher sind. Dieses letzte Detail ist ein integraler Teil der Szene, so wie Sie sie in Erinnerung haben. Es würde mir kaum gelingen, Sie davon zu überzeugen, dass Sie es sich nur eingebildet haben. Und dennoch fehlte uns dieses Detail noch vor fünf Minuten. Jetzt, wo es aufgetaucht ist, haben Sie den Eindruck, es wäre schon immer da gewesen, aber gleichzeitig wissen Sie, dass das nicht stimmt. Wenn Sie es also vorher nicht wussten und es jetzt so sicher wissen wie Ihren eigenen Namen, woher stammt dieses Wissen?
    So ist das, wenn eine verdrängte Erinnerung ans Licht kommt: Eben noch war sie überhaupt nicht da, und kurz darauf war sie schon immer in ihrer Gänze vorhanden. Es ist etwas völlig anderes als das Gefühl, dass etwas irgendwo in den äußeren Bereichen unseres Gedächtnisses herumschwebt, dem »Es liegt mir auf der Zunge«-Gefühl. Diese Erinnerungen haben wir herumliegen lassen und vergessen, weil sie uns nicht wichtig sind. Wenn uns klar wird, dass wir sie brauchen, und nach ihnen suchen, tauchen sie meistens ohne allzu viel Mühe wieder auf – erst als Kitzeln im Gehirn, dann eine teilweise Antwort, dann die ganze. Wie ein Baby, das geboren wird – erst der Kopf, dann die Schultern … Sie verstehen, was ich meine.
    Verdrängung ist anders. Wir verdrängen aus einem guten Grund, wir verdrängen, um uns selbst zu schützen. Amber, Sie zeigten sich enttäuscht, obwohl Sie ein Rätsel gelöst haben – oh doch, das haben Sie, ob es Ihnen nun bewusst ist oder nicht –, weil es nicht das Rätsel ist, das Sie zu lösen gehofft hatten. Sie wissen immer noch nicht, wo Sie diese

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