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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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für einen Fehler sie gemacht hatte. Sie hatte angenommen, dass es etwas mit ihr zu tun hatte, dass Simon sie nicht genug begehrte oder nicht vergessen konnte, wie promiskuitiv sie gewesen war, als er sie kennenlernte. Wenn sie nur an ihn dachte und sich selbst aus der Gleichung herausnahm, ergab das, was er sagte, einen Sinn. Nein, korrigierte sie sich, es ergab keinen Sinn, und das würde es auch nie, nicht für sie, aber es passte zu einigen seiner übrigen Komplexe. Bis vor ein paar Jahren war er nicht bereit gewesen, in ihrer Gegenwart etwas zu essen, und der Gedanke, dass andere Leute ihm beim Essen zusehen könnten, war ihm immer noch zuwider. Wenn sie vorschlug, in ein Lokal zu gehen, schützte er immer Müdigkeit vor und schlug vor, stattdessen etwas zu bestellen.
    Er schloss jedes Mal die Tür ab, wenn er das Bad benutzte. Charlie nicht. Manchmal machte sie die Tür nicht mal zu. Simon war nie hereingekommen, nicht ein einziges Mal.
    Seine Eltern waren Leute, die vor Angst bebten, wenn es an der Tür klingelte. Charlie hatte es selbst miterlebt, mehr als einmal. »Wer könnte das sein?«, sagten sie dann, oder manchmal sogar: »Was könnte das sein?«, als würden sie gar nicht mehr erkennen, dass jemand aus der Außenwelt mit ihnen zu interagieren versuchte.
    Doch, es war vollkommen einleuchtend, sofern irgendetwas an Simon klar und einleuchtend sein konnte. Ich sollte froh sein, dass ich jetzt zumindest Bescheid weiß, dachte sie, dass ich zumindest verstehe, wo das Problem liegt. Sie konnte später immer noch versuchen, es zu lösen. Es musste irgendeinen Weg geben.
    »Ich weiß, was du denkst«, sagte Simon. »Das mache ich auch nicht.«
    »Was machst du nicht?«
    »So meinte ich das nicht, mit privat – ich gucke keine Pornos, und ich hole mir auch keinen runter.«
    »Das hatte ich auch nicht angenommen.«
    »Ich bin nicht pervers.«
    »Das weiß ich, Simon. Ich verstehe, aber …« Gott, war das schwierig. Es hätte geholfen, darüber lachen zu können. Oder zu weinen oder zu schreien. »Dann sitzt du in der Falle, oder? Du hast Hemmungen, Sex mit mir zu haben – vor mir, wie du es siehst, und das, was du pervers nennst, willst du nicht. Viele Leute würden da übrigens gar keine Abweichung vom normalen sexuellen Verhalten sehen. Was deine Mutter dir auch erzählt haben mag, es ist keine Sünde. Alle machen es. Nicht unbedingt Pornos gucken, aber …«
    »Ich nicht.«
    »Alle anderen schon. Hör dich um. Und es ist auch kein Entweder-oder, entweder allein oder mit jemand zusammen. Man kann beides machen. Beides wird wärmstens empfohlen.« Sexualkunde, die wichtigsten Grundlagen knapp und verständlich zusammengefasst.
    Simon schob sich an ihr vorbei und ging zur Treppe. Gespräch beendet . Charlie wollte fragen, was er jetzt vorhatte. Sie hatten offen über das Problem gesprochen, das musste doch eine gute Sache sein. Würde Simon in Zukunft noch gehemmter und verkrampfter sein oder weniger gehemmt und verkrampft?
    Sie folgte ihm die Treppe hinauf und fiel fast die Treppe hinunter, als er sich unvermittelt umdrehte. »Jo«, sagte er.
    »Wie bitte?«
    »Jo Utting.«
    »Sogar Jo Utting«, sagte Charlie. »Ich bin sicher, sie kann richtig stürmisch wichsen.«
    »Was?! Das ist ja widerlich. Darüber habe ich nicht geredet, und ich werde es auch nie wieder tun. Du hast sie Jo genannt, nicht Johannah.«
    »So nennt sie sich«, konterte Charlie.
    »Du wolltest von mir wissen, wer sie ist«, fuhr Simon sie an. »Wenn du nicht weißt, wer sie ist, woher weißt du dann, wie sie sich nennt?«
    »Die Antwort auf diese Frage hättest du längst, wenn du nicht davon ausgegangen wärst …«
    »Sag mir, was los ist!«, brüllte Simon ihr ins Gesicht. »Das ist wichtig.«
    Im Gegensatz zu dem, über das wir eben gesprochen haben?
    »Nein«, sagte Charlie. »Nicht, bevor du dich entschuldigst.«
    »Es tut mir leid. Okay?«
    »Nein. Zu rasch und daher nicht im Mindesten befriedigend. Wofür entschuldigst du dich?«
    »Keine Ahnung.« Er blickte sich um, als hoffe er, die richtige Antwort irgendwo auf den Stufen oder dem Treppenabsatz zu entdecken. »Für alles und jedes. Sag es mir, bitte.«
    »Erst brauche ich einen Drink. Ich muss mich setzen.« Ich habe einen Schock erlitten, hätte sie am liebsten hinzugefügt. Es stimmte.
    Simon seufzte tief und fuhr sich über das Gesicht, und Charlie hatte das Gefühl, als würden sie sich voneinander fortbewegen, obwohl sie sich gar nicht berührt hatten. Irgendeine

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