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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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erstarrte. Hatte sie sich verhört?
    »Alles ist gut zwischen uns, nur dass wir … es nicht oft genug tun?« Simon stand in der Küchentür. Sein Körper füllte den Türrahmen fast aus.
    »Ich habe ein wenig Angst«, gab Charlie zu. »Wollen wir dieses Gespräch wirklich führen?«
    »Ich mag Sex ebenso sehr wie jeder andere.«
    »Das ist nicht wahr, und wenn du nicht willst, dass es einen anderen gibt, gibst du das besser zu.« Hatte sie ihm gerade angedroht, Sex mit jemand anderem zu haben? Das hatte sie nicht vorgehabt. Es hatte Nächte gegeben, in denen sie darüber nachgedacht hatte, ob sie ihn schlafend im Bett liegen lassen sollte, um irgendwo hinzufahren, wo sie leicht jemanden aufreißen konnte, irgendeinen Mann, den sie nicht kannte, den sie nie wiedersehen würde und mit dem sie aus reinem Spaß an der Freude vögeln konnte, weil es das war, was sie und Simon verdient hatten.
    Sie würde es niemals tun, das wusste sie. Die sexuelle Praktik, bei der Rachephantasien das treibende Moment darstellten, hatte einen Namen, einen Namen, der ekelhaft genug war, um sie davon abzuhalten, das in die Realität umzusetzen.
    »Es ist nicht so, dass ich es nicht tun möchte, und ich will es auch nicht mit jemand anderem tun«, sagte Simon. »Das schwöre ich. Alles klar?«
    »Äh … eigentlich nicht. Wovon redest du?«
    »Ich hätte schon längst versuchen sollen, es dir zu erklären.«
    »Versuch es jetzt. Glaub mir, wenn du denkst, hiermit wäre die Aufklärungsarbeit geleistet, irrst du dich gewaltig.«
    »Ich fühle mich durchaus zu dir hingezogen. Körperlich.«
    Charlie lachte. Es klang, als hätte er das kürzlich erst entdeckt, und es erstaune ihn maßlos.
    »Ich würde nichts lieber tun, als mit dir ins Bett zu gehen, wenn ich nicht wüsste, dass du es ebenfalls willst.« Er fluchte leise. »Ich meinte damit nicht …«
    »Du meinst nicht, dass du mich vergewaltigen willst«, stellte Charlie klar.
    »Nein.«
    »Schon gut, Simon. Ich weiß, dass du das nicht meinst.« Sie sprach in ruhigem Ton. Wenn jetzt etwas passierte, das ihn in Panik versetzte, war die Gelegenheit vielleicht für immer vertan.
    »Ich meinte damit, da du es willst, kann es jederzeit passieren, und … ich glaube, es wäre mir lieber, das wäre nicht so, weil es … sich nicht richtig anfühlt. Das hat es nie. Es hat nichts mit dir zu tun. Nichts von alledem hat irgendwas mit dir zu tun. Es liegt an mir, irgendetwas in mir ist total verkorkst.«
    »Sprich weiter«, sagte Charlie.
    »Es ergibt einfach keinen Sinn.« Den Satz hatte sie schon so oft von ihm gehört, ausgesprochen mit derselben Frustration. Nur dass er diesmal nicht über irgendeinen bizarren Mord sprach. »Es gibt nichts, was privater wäre, aber das darf es nicht sein, oder?«, sagte er, wieder zornig. Weil das leichter war, als verlegen oder beschämt zu sein? »Man muss es vor anderen Leuten tun. Oder allein, aber dann ist man pervers. Es gibt …«
    »Moment mal. Vor anderen Leuten?«
    »Ich rede nicht davon, es in der Öffentlichkeit zu tun, vor Publikum«, murmelte Simon und starrte auf den Fußboden. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt. »Nur … vor dem, mit dem man gerade zusammen ist.«
    Charlie begriff. Er meinte sie. Sie war »andere Leute«.
    »Du willst damit sagen, es sollte eigentlich privat sein, und dir ist unbehaglich dabei zumute, es in meiner Gegenwart zu tun?« Sag es nicht so, als könntest du es kaum glauben. »Obwohl ich die Person bin, mit der du es machst?«
    »Was mich zu einem Freak macht«, sagte Simon ungeduldig. »Heutzutage tut jeder alles vor den Augen der ganzen Welt. Niemanden kümmert das, niemand hält es für merkwürdig. Wenn ich im Präsidium mal pissen muss, wird von mir erwartet, dass ich es vor allen anderen mache, die gerade im Herrenklo herumhängen. Das war schon immer so, aber heutzutage … Nichts ist mehr privat. Die Leute bringen im Fernsehen ihre Kinder zur Welt, bekommen im Fernsehen die Ergebnisse von Vaterschaftstests und Lügendetektortests zu hören, werfen einander allen möglichen Scheiß vor, über den sie nicht in aller Öffentlichkeit reden sollten. Leute sterben im Fernsehen, Prominente lassen ihren Todeskampf filmen, die Euthanasie-Befürworter dokumentieren ihre eigenen Abschiede. Verdammt, man kann sogar auf You Tube zusehen, wie Saddam Hussein hingerichtet wird! Und nein, bevor du fragst, ich will nicht Sex damit vergleichen, dass ein Diktator das bekommt, was er verdient hat. Okay?«
    Charlie begriff, was

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