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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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Rücken unter ein Fenster zu legen. Ich habe schon merkwürdigere Dinge getan. Wie lautet die Adresse?«
    Ist das ihr Ernst? Sie ist zu scharf darauf, das stößt mich ab. Ich habe ihr die Geschichte gegeben, die sie haben wollte – jetzt bin ich an der Reihe. Am besten sofort, solange ich so große Beliebtheit genieße. »Ich würde mir gern die Akte ansehen, alles, was Sie zum Mordfall Katharine Allen haben.«
    Als Sergeant Zailer lacht, klingt es völlig anders als eben.
    »Könnten Sie sie mir kopieren? Ich zeige sie auch niemandem. Nicht einmal Luke.«
    »Das ist Ihr Ernst, oder?« Sie schüttelt den Kopf. »Exlibris: Dieser Plan gehört einer hochgradig unrealistischen Person.«
    »Ich weiß, dass Sie es nicht offiziell tun können. Aber könnten Sie es ganz inoffiziell machen?«
    »Warum sollte ich den Wunsch verspüren, vertrauliche Akten für Sie zu kopieren?«
    »Ich muss mehr über Katharine Allen wissen. Wenn es tatsächlich irgendeine Verbindung zwischen uns gibt, entdecke ich vielleicht etwas: der Name einer Freundin, irgendetwas, das sich überschneidet mit …«
    »Bedaure«, unterbricht Sergeant Zailer mich. Sie klingt müde. Ich habe sie mit meiner Erschöpfung angesteckt. »Schauen Sie, es ist schön, dass Sie helfen wollen, aber … es ist nicht Ihre Aufgabe, die Verbindung zu finden, wenn es denn eine gibt. Sondern die von Simon und seinen Kollegen. Ich bin sicher, er wird Ihnen bald mit Fragen über jedes mikroskopisch kleine Detail Ihres Lebens auf die Nerven gehen, um es mit dem abzugleichen, was sie über Katharine Allen wissen, aber …«
    »Verstehe.« Ich stelle den Charme ab, obwohl zweifellos Ansichtssache ist, ob ich vorher charmant war. »Ich stehe nicht auf einer Stufe mit Ihnen. Ich soll alles erzählen, aber nichts fragen.«
    »Richtig«, fährt Sergeant Zailer mich an. »Sie sind nicht bei der Polizei, es gibt da dieses unbequeme Ding, das sich Datenschutzgesetz nennt, und das alles ist sowieso ausschließlich mein Fehler.« Sie seufzt.
    Ich vermisse die gute Laune, die sie eben noch hatte. »Sie sagten, Sie hätten eine Theorie«, erinnere ich sie. Ist Sergeant Zailer zu dem Schluss gekommen, dass es zu riskant ist, mit mir zu reden? Dass ich der Typ Mensch bin, zu dem man am besten gar nichts sagt, weil er sonst alles fordern könnte? Damit hätte sie recht: Ich bin dieser Typ Mensch. Es ist mir egal, wessen Aufgabe es ist, die Verbindung zwischen mir und Katharine Allen zu finden. Wie informativ und kooperativ ich mich auch zeige, wenn die Polizei mich befragt, ich werde immer mehr über mein Leben und meine Lebensgeschichte wissen als Simon Waterhouse. Ich muss die Namen aller Personen sehen, die befragt wurden, jede Notiz, die gemacht wurde, jedes Foto – all das, was sie mir nicht zeigen können, für den Fall, dass mein Alibi sich als Lüge erweist und ich Katharine Allen getötet habe.
    Wenn ich Ermittler wäre und wirklich Antworten wollte, würde ich das Risiko eingehen.
    »Simon ist Nostalgiker«, sagt Sergeant Zailer. »Er lebt nie im Augenblick. Er ist in Gedanken immer irgendwo anders – an einem anderen Ort, in einer anderen Zeit. Bei einer Theorie über den Fall, den er gerade bearbeitet, dann kann er Raum und Zeit völlig vergessen. Das Hier und Jetzt ist ihm scheißegal. Er ist bereit, den gegenwärtigen Moment für alle, die sich darin befinden, zu einem schrecklichen Moment zu machen, um die Vergangenheit in der Zukunft zu verstehen. Ich dachte nur, wenn er diese Worte auf einem Blatt Papier gesehen hätte und sich nicht an den Zusammenhang erinnern könnte, dann wahrscheinlich deshalb, weil er zu dem Zeitpunkt in seiner eigenen kleinen Welt eingeschlossen war.« Sie schaut mich an. »Vielleicht war es bei Ihnen ja genauso. Vielleicht kreisten Ihre Gedanken gerade obsessiv um irgendwas anderes, als Sie diese Worte sahen, und Sie können sich nicht an den Rest der Szene erinnern, weil Sie nur mit dem Körper anwesend waren.«
    Etwas blitzt in meinem Kopf auf und verschwindet wieder. Den Bruchteil einer Sekunde später sind keine Spuren mehr übrig, abgesehen von einem vagen Gefühl von Bewegung, das rasch von Stille verschluckt wird. Was war das, die erste Phase des Erinnerns oder gar nichts? Wahrscheinlich nichts von Bedeutung, entscheide ich. Es ist naiv anzunehmen, eine Erinnerung würde sich phasenweise entblößen wie eine Stripperin.
    Worum kreisen meine Gedanken obsessiv? Um Sharons Tod. Was aus Dinah und Nonie werden soll. Little Orchard. Um Schlaf. Um

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