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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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unerfreulich. Ich bin am Verhungern. Meine Glieder, Finger, Zehen und Augen tun mir weh. Ich bin erschöpft, noch mehr als sonst. Ich fühle mich, als hätte jemand mein Gehirn in den Körper einer Siebzigjährigen verpflanzt.
    Was sieht Sergeant Zailer, wenn sie mich ansieht? Eine ausgekratzte leere Hülle? Ich habe keine Ahnung, ob ich besser oder schlimmer aussehe, als ich mich fühle.
    Wir sind auf der Rawndesley Road und fahren aus Spilling heraus, und alle Menschen, an denen wir vorbeikommen, scheinen damit anzugeben, dass ihnen wärmer ist als mir: Radfahrer in Fleece-Jacken, gut eingepackte Fußgänger. Sogar im Dunkeln kann ich erkennen, dass sie rosige Bäckchen haben und Mützen, Schals und fellgefütterte Stiefel tragen. »Könnten Sie das Fenster schließen?«, frage ich, als mir die durchdringende Kälte direkt in die Knochen fährt.
    Sergeant Zailer drückt auf einen Knopf, und die Scheibe fährt hoch. »Ich habe mich gefragt, wie lange es wohl dauern würde, bis Sie merken, wie eiskalt Ihnen ist«, sagt sie. »Ich habe eine Theorie. Ich kenne Sie ja erst seit heute Nachmittag, aber Sie kommen mir vor wie ein obsessiver Mensch. Eine Grüblerin.« Als sie sieht, dass ich widersprechen will, fügt sie hinzu: »Ich bin mit einem Mann verheiratet, der genauso ist wie Sie. Genauer gesagt, ich bin mit Simon Waterhouse verheiratet.«
    »Gute Wahl«, sage ich automatisch. Ich bemerke den logischen Fehler zu spät, um die Bemerkung zurücknehmen zu können. »Tut mir leid«, murmele ich. »Wie blöd von mir.«
    »Entschuldigen Sie sich nicht. Blöd oder nicht, ich hab es gerne gehört.«
    Was glaubt sie denn, was ich meine? Dass ich ihn attraktiv finde? Das tue ich nicht, aber es würde nichts bringen, das zu sagen, und wahrscheinlich würde es sie verletzen. Ich meinte nur, dass Waterhouse ansprechender wirkte als Gibbs oder dieser schaurige Giftzwerg Proust. Eine Sekunde lang hatte ich vergessen, dass Sergeant Zailer bei der Wahl ihres Ehepartners wohl kaum auf die drei Kripo-Leute beschränkt war, denen ich heute begegnet bin.
    Luke findet, dass ich mal mit unserer Hausärztin über eine Beeinträchtigung meiner Hirnfunktionen reden sollte, obwohl er es nie so bezeichnet, um mich nicht zu verletzen. Manchmal kann er sich richtig in Rage reden. »Bitte sie doch einfach, dich für zwölf Stunden in ein künstliches Koma zu versetzen, damit deine Synapsen oder was auch immer Gelegenheit zu einem Neustart haben«, sagt er dann. Ich weiß nie genau, ob er Witze macht. Ein Koma kann nicht dasselbe sein wie Schlaf, was den Erholungswert angeht – obwohl ich einräumen muss, dass es ziemlich verlockend klingt. Vielleicht sollte ich mich unter einen Lastwagen werfen.
    Es kann nicht viele Leute geben, für die es eine ansprechende Vorstellung ist, im Koma zu liegen. Ich wünschte, die Tatsache, etwas Besonderes zu sein, könnte mich stolz machen.
    »Amber.« Sergeant Zailer schnippt mit den Fingern. Da sie in der anderen Hand die Zigarette hält, liegt ganz kurz keine ihrer Hände auf dem Lenkrad. Ich versuche, nicht an Eds Tochter Louise zu denken, die durch die Windschutzscheibe geflogen ist. Ich wünschte, ich hätte die Geschichte für mich behalten. Ich habe kein Recht, sie zu kennen, und ich hätte sie nicht wiederholen dürfen.
    Vielleicht ist meine Schlaflosigkeit eine Strafe. Meine Strafe für alles.
    »Amber! Sie sind schon wieder in Ihre eigene kleine Welt abgedriftet. Simon macht das ständig. Ihm wäre auch nicht aufgefallen, dass das Fenster sperrangelweit offen stand und das Wageninnere sich in Sibirien verwandelt hatte. Er lebt in seinem Kopf und nimmt die Welt um sich herum kaum wahr. Ich frage mich manchmal …«
    Ich warte darauf, dass sie fortfährt. Soll ich erraten, was sie meint?
    »Sind Sie ein nostalgischer Mensch?«, fragt sie schließlich.
    Eine bizarre Frage an einem bizarren Tag. »Ist das nicht jeder? Ich denke nicht oft an früher, wenn es das war, was Sie meinten.« Das würde mich viel zu sehr mitnehmen.
    Der Tag, an dem ich Luke kennenlernte. Der Witz, den er machte und mit dem es ernst wurde, als ich sagte, ich hielte es für eine brillante Idee. Luke hätte am liebsten gekniffen, aber ich stachelte ihn an.
    Ein gutes Geheimnis. Bevor ich das schlechte Geheimnis geschehen ließ.
    »Erzählen Sie es mir«, sagt Sergeant Zailer. Woher weiß sie, dass es etwas zu erzählen gibt?
    »Ich dachte gerade daran, wie ich meinen Mann kennengelernt habe.«
    »Ich mag

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