Der kalte Schlaf
ist dem Laut sehr ähnlich, den ich von mir gebe, wenn ich ihr wirklich zustimme, nur leiser und weniger aufrichtig. Ob Jo sich dessen nun bewusst ist oder nicht, Sabina war nie die Nanny der beiden Jungen, obwohl das ihre Arbeitsplatzbeschreibung ist. Soweit ich feststellen kann, ist ihre Rolle hier die einer verwöhnten älteren Tochter, die nebenbei die PR-Frau für Jo gibt. Von Anfang an hat Jo sich selbst um William und Barney gekümmert, während Sabina ehrfurchtsvoll zuschaut und ihr moralische Unterstützung zuteilwerden lässt, ungeachtet der moralischen Ausrichtung dessen, was unterstützt wird. Als William einmal in der Spielgruppe einen anderen Jungen gehauen hatte, fand Sabina genau wie Jo, dass es die Schuld des anderen Kindes sei – er habe William provoziert. Sie feiert alle Entscheidungen, die Jo in der Kindererziehung trifft, und versorgt Besucher mit einem ständigen Kommentar darüber, was für eine wunderbare Mutter Jo ist. Ansonsten geht sie laufen, zur Massage und zum Englischunterricht, was Jo stets zu dem Kommentar veranlasst, die arme Sabina brauche wirklich dringend mal eine Pause.
Sabina kann so gut mit Quentin und Jo umgehen, weil sie erwachsen sind. Mit Kindern kann sie nichts anfangen, und sie hat auch ein bisschen Angst vor ihnen. Luke und ich haben darüber gelacht, bis uns die Tränen kamen, dass ausgerechnet Sabina unbedingt Kindermädchen werden wollte. Aber Sabina hat zuletzt gelacht. Sie muss gewusst haben, was wir nie geglaubt hätten, nämlich dass es Leute gibt, die liebend gern viel Geld für eine Illusion von Kinderbetreuung ausgeben.
Ich habe mich oft gefragt, ob Sabina Jo eigentlich mag, ganz tief innen – wenn auch nicht so oft, wie ich mich gefragt habe, ob Neil seine Frau eigentlich mag.
Der edle Tee ist köstlich. »Mm. Warum habe ich keine so himmlischen Dinge im Haus?«, seufze ich.
»Du hast Glück, dass du Quentin nicht im Haus hast«, flüstert Jo grinsend.
»Das habe ich.«
»Du hast Quentin im Haus? Merkwürdig, ich hätte geschworen, er lebt hier.«
Ich lache länger, als der Witz es verdient hätte, und falle damit übergangslos in meine alte Gewohnheit zurück. Sharon sagte immer, ich sei die Quelle, aus der sie ihre narzisstische Bestätigung schöpft. Sharons Mutter war Marianne, und inspiriert dadurch las sie in ihrer Freizeit jedes Buch über dysfunktionale Erziehung, das sie in die Finger bekommen konnte. Ihr Haus war voller dicker Wälzer mit Titeln wie Vergiftete Kindheit: Elterliche Macht und ihre Folgen . Sie weigerte sich, sie zu verstecken, wenn Marianne zu Besuch kam.
Sharon und Jo sind sich nie begegnet, obwohl Jo jahrelang immer wieder sagte, Sharon sei offenbar »zum Brüllen« und sie würde sie wahnsinnig gern mal kennenlernen, während Sharon viel über Jos Schrullen von mir zu hören bekam. Die beiden kannten sich vermutlich so gut, wie man einen Menschen kennen kann, den man nie getroffen hat.
Ich konnte sie einander nicht vorstellen, es ging nicht. Es ist meine Schuld, dass das nicht ging, und es macht mich ganz krank, wenn ich daran denke. Ein Augenblick des Leichtsinns … Das ist der dunkle Kern all dessen, was ich Jo vorwerfe, und mir selbst, dass ich dumm genug war, ihr die Macht zu geben, mich und Luke zu zerstören, mich und Sharon zu zerstören …
»Ich mache das einfachste, beste Gericht der Welt.« Jos Stimme bringt mich zurück in die Gegenwart. »Sogar eine Nicht-Köchin wie du könnte das hinkriegen: Linguine mit Basilikum, Tomaten, Mozzarella und Olivenöl – das ist alles, mehr braucht es nicht!«
»Also im Grunde Insalata Tricolore mit Pasta?«
»Ja. Mit ein, zwei Scheibchen roter Chilischote, schwarzem Pfeffer und Parmesan. Warum ist mir das nicht schon vor Jahren eingefallen? Quentin wird es nicht essen – es ist Grünzeug drin, aber kein Fleisch, es ist nicht heiß genug, und so weiter und so weiter. Für ihn habe ich heute Morgen einen Auflauf aus Hackfleisch und Kartoffelbrei gemacht.«
»Du bist eine Heilige«, sage ich.
Sie dreht sich zu mir um. »Ich habe das eben ernst gemeint: Du kannst von Glück sagen. Sabina ist ja eine große Hilfe, aber … manchmal stelle ich mir vor, ihm ein Kissen aufs Gesicht zu drücken.« Sie schlägt die Hand vor den Mund. »Tut mir leid, wie furchtbar, so etwas zu sagen.«
»Nein, ist es nicht. Es ist absolut verständlich. Es wäre nur dann furchtbar, wenn du es wirklich tätest.«
Dinah kommt in die Küche gestürzt. »Amber, William hat mir den Unterschied
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