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Der kalte Schlaf

Der kalte Schlaf

Titel: Der kalte Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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die Chance groß, dass die Zuhörer sich verwirrt davonschleichen und an ihrem eigenen Verstand zu zweifeln beginnen.
    »Benehmen Sie sich einmal im Leben wie ein Erwachsener, Waterhouse!«, fuhr Proust ihn an. »Versuchen Sie nicht, einen verbalen Schlagabtausch zu inszenieren. Ich versuche, Ihnen zu helfen, ob Sie’s nun glauben oder nicht.«
    Echt schwierige Entscheidung, aber ich entscheide mich für die zweite Option.
    Proust blies langsam die Luft aus. »Sonst sickerte Ihr Mangel an Respekt trotz aller Anstrengungen einfach durch, aber inzwischen lassen Sie ihre Respektlosigkeit fließen wie ein urinierender Landstreicher, der auf …«
    Noch eine unvorhergesehene Pause. Aber Simon war nicht bereit, ein zweites Mal auszuhelfen und Dinge vorzuschlagen, auf die ein Landstreicher urinieren könnte.
    »Erbärmlich, Waterhouse. Nicht ich spreche zu Ihnen, sondern Ihre innere Stimme. Ich würde ja den Dialekt imitieren, aber ich spreche nicht die Sprache eines niedrigen Selbstwertgefühls. Das ist eine Sprache, die ich nie lernen musste.«
    Simon überlegte, welche Optionen er hatte. Was hinderte ihn daran, einfach aufzustehen und zu gehen? Er wartete schließlich nur auf eins, darauf, gefeuert zu werden. Trotzdem hatte er vor, auszuharren, bis die Kündigung ausgesprochen war.
    »Irgendeine Vorstellung, was diese neue Quelle des Schreckens in Ihrem Leben sein könnte?«
    »Da gibt es nichts.«
    Proust lachte. »Was, nicht mal Charlie Zailer? Eheschließung, Waterhouse. Beachten Sie den zweiten Bestandteil: Schließen. Weggeschlossen. Sie sitzen in der Falle. Scheiden lassen können Sie sich nicht. Das würde ja voraussetzen, dass Sie zugeben, einen Fehler gemacht zu haben, und dazu sind Sie von Geburt an unfähig. Und doch verspüren Sie eine lähmende Angst vor den Anforderungen, die die Ehe zwangsläufig an Sie stellen wird, Anforderungen, denen Sie nicht gewachsen sind. Das hat alles andere zur Nebensache degradiert, was? Wenn Sie über eine tickende Bombe stolpern würden, könnte es sein, dass Sie sich einfach daraufsetzen und die Füße hochlegen. Keine andere Angst kann Ihnen noch etwas anhaben, jetzt, wo Sie mit dieser großen Angst ringen.«
    »Würde es Ihnen den Spaß verderben, wenn ich anderer Meinung bin?«, fragte Simon.
    »Wenn Sie mir nicht zustimmen, werde ich gezwungen sein, mich zu fragen, und das nicht zum ersten Mal, wie es möglich ist, dass ein Mensch mehr als vierzig Jahre lang ohne jede Selbsterkenntnis lebt – und zwar ohne es zu merken. Sie haben keinen Funken von dem Zeug in sich, Waterhouse, und ich versuchen nur, Ihnen die dringend notwendige Transfusion zukommen zu lassen.«
    »Ihr Bedarf ist da offensichtlich größer als meiner, das beweist Ihre absurde Vorstellung, dass Sie ein geeigneter Spender sein könnten«, konterte Simon. Ergab das irgendeinen Sinn? In seinem Kopf schon. Seine Worte hallten in der Stille wider, die darauf folgte.
    »Beleidigen Sie mich, soviel Sie wollen«, sagte Proust schließlich. »Sie werden mich nicht davon überzeugen, dass Ihr Urteilsvermögen noch der vertrauenswürdige Verbündete ist, der es einmal war. Glauben Sie ernsthaft, dass Sergeant Zailer zur Hypnose gegangen ist, weil sie die Kippen aufgeben will? Rauchen gehört zu den wenigen Vergnügungen ihres bejammernswerten Lebens. Juckt es Sie nicht auch zu erfahren, was sie da wirklich wollte? Eins garantiere ich Ihnen: Wie viel Geld auch von Ihrem gemeinsamen Bankkonto in die fransenbesetzte Geldbörse dieser Möchtegern-Heilerin in Great Holling fließt, es wird das Problem nicht lösen, worin es auch bestehen mag. Und sollten Sie zufällig bereits wissen, worin es besteht, oder sollten Sie meinem Rat folgen und es herausfinden, bitte klären Sie mich auf keinen Fall darüber auf. Es gibt Grenzen.«
    »Offenbar nicht.«
    Proust wirbelte herum, das Gesicht rosa-weiß gefleckt. »Glauben Sie, ich will Sie rauswerfen? Da irren Sie sich. Lassen Sie Ihren Geist über die toxische Wüstenei unserer gemeinsam verbrachten Jahre schweifen. Es gab unzählige Gelegenheiten für mich, Sie loszuwerden. Aber was tue ich? Ich lasse sie vorbeigehen, eine nach der anderen.«
    Das stimmte. Das und nichts anderes.
    »Ob ich Sie wirklich loswerden will oder nicht, spielt gar keine Rolle mehr. Sie zwingen mich dazu. Wenn ich Sie einfach weitermachen lasse, business as usual, welchen Eindruck würde das auf den Rest des Teams machen? Ich wäre der DI, der zulässt, dass ein außer Kontrolle geratener Ermittler ihm

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