Der Kalte
verzündet dich. Ich spürs.«
»Oje«, sagte der Bundeskanzler und schaute auf den Fußboden. »Komm rüber.«
»Der Apolloner wird gleich –«
»Das muss warten.«
Marits ging still hinaus, Johannes folgte ihm.
In seinem Büro setzte Marits sich hinter seinen Schreibtisch und bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen. Tschonkovits stand vor dem Schreibtisch und schwieg. Schließlich sagte er:
»Wenn die Genossin Hildegard Patzelter behauptet, du hättest gesagt, dass du die braune Vergangenheit von Doktor Wais zum Thema des Wahlkampfes machen wirst, dann antwortest du, das kannst du gar nicht gesagt haben, denn niemand wusste damals etwas davon. Und zwölf ebenfalls Anwesende jener Sitzung werden das bestätigen. Was bleibt dann von ihrer Denunziation übrig? Ein Parteiausschluss!«
»Aber geh!«
»Oder die Reihung an einen unwählbaren Platz. Bussi, Bussi für unsere süße Karrierehilde. Nun?«
»Unerquicklich ist das«, sagte Marits mit belegter Stimme. »Warum hab ich das denn damals gesagt?«
»Erstens hast du es niemals gesagt, und zweitens bist du doch der Antifaschist unter unseren Burgenländern. Gestatte, dass ich in mein Büro zurückgehe?«
»Jaja. Stecken die Schwarzen dahinter?«
»Vielleicht noch nicht«, sagte Tschonkovits und grinste. »Aber wenn das Signal mit der Sache herauskommt, dann stecken sie dahinter. Ich werd wohl dem Novacek auf den Zahn fühlen.«
»Oje. Ojegerl«, wiederholte Marits, »verdammt.«
»Das kriegen wir hin, Theo.«
Und Johannes verließ den Kanzler. In seinem Zimmer stellte er sich wiederum ans Fenster. So eine Scheiße, dachte er.
25.
Felix Dauendin stand vor seinem Kleiderkasten, die Türen offen, er rieb sich das Kinn, besah sich im kleinen Spiegel, der an der linken Kastentür innen angebracht war, seinen mürrischen Gesichtsausdruck, der sich dabei verstärkte, und fuhr mit den Fingern unter die herunterhängenden Krawatten, zog eine hellviolette heraus und hängte sie sich über die Schulter. Im Hintergrund hörte er Astrid vor sich hin singen und mit etwas klappern. Unter dem Gips begann wieder einmal die Haut zu jucken, er holte ein weißes Hemd aus dem Kasten, eine Unterhose, bückte sich nach der umgefallenen Krücke und ging aus dem Schrankzimmer heraus, vorbei an der Küche, in der Astrid vor sich hin trällerte. Sie unterbrach das Singen, als sie ihn vorbeihumpeln sah, kam zu ihm.
»Ich brauche gar nichts«, murmelte er zu ihr hin, humpelte weiter, um sich in seinem Schlafzimmer anzukleiden. Das Telefon läutete, Astrid ging hin, und er hörte, wie sie sich bedankte. Sie erschien, als er, auf dem Bett sitzend, mit dem heilen Bein in den entsprechenden Teil seiner Hose fuhr. Ungefragt hockte Astrid sich vor Dauendin hin und lotste sein Gipsbein durchs rechte Hosenbein.
»Na ja, danke«, sagte Dauendin, erhob sich, um sogleich wieder auf die Bettkante zu sinken. »Wer war das?«
»Wir sind komplett«, sagte Astrid. »Eben hat auch noch der Bonker zugesagt, obwohl ihm nicht so wohl ist.«
»Kann ruhig irgendwo bleiben«, sagte Felix und zog sich im Sitzen unter ruckartigen, verrenkenden Armbewegungen das Hemd an.
»Es ist ja ohnehin wie immer«, sagte Astrid und schaute, sich erhebend, zum Fenster. »Immer wünschst du dir sehnlichst ein Geburtstagsfest. Jedes Mal bist du sauer, wenn es steigt.«
»Nie wünsche ich mir das. Freu mich immer, liebste Astrid, wenn du es ausrichtest. Aber im Oswald & Kalb?«
»Du wolltest es dort. Vergessen?«
»Ja, aber als kleines Festchen.«
»Dein Fünfziger als kleines Fest. Na sicher.«
»Fünfzig. Ich merks, und wie!«
»Dass der Bruch nicht und nicht verheilt und du jetzt den dritten –«
»Den vierten.«
»Also den vierten Gips tragen musst, liegt, wie Doktor Weinberger dir hundertmal gesagt hat, an der Art des Bruchs und nicht an deinem Alter.«
»Ist aber nicht wahr.« Dauendin band einen viel zu großen Krawattenknoten, riss ihn wieder auf und biss sich auf die Lippen.
»Glänzend gelaunt, oder wie seh ich das! Willst du unbedingt zum blauen Anzug diese hässliche Krawatte nehmen?« Dauendin erhob sich wiederum und ging hinaus. Astrid folgte ihm, überholte ihn im Vorzimmer, ging vor ihm zum Kasten und bot ihm die schrägschraffierte blassgelbe Krawatte an. »Die nimm!« Als die beiden zurück im Schlafzimmer waren, bat Felix sie, ihm die Namen der Geburtstagsgäste aufzusagen. Sie ging die Liste holen und las sie ihm vor.
»Wer ist Apolloner?«
»Gehört zur
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