Der Kalte
prachtvolle Rollen. Du sagst also selbst, dass der von dir so bezeichnete Judenwurschtel nichts mit deinem Vater zu tun hat. Ich gebe zu, wenn der wie dein Vater wäre, würde es dir schwerfallen, aber so?«
»Irgendwie ist er doch auch wie mein Alter. Der Vesely spielt den Ruben, als hätte er ihn aus meinem Vater geschnitzt. Ich kriegs nicht hin. Und überhaupt«, Karl schaute sich nach dem Ober um, während er weiterredete, »mir geht das ganze Antiwaisgehabe der Burg auf die Eier. Mir ist doch der Bundespräsident powidl. Ich will ordentliche Rollen, keine hirnrissigen, die sich dieser Ungar ausgedacht hat als Schmähs für den Augenblick.«
»Dann lege die Rolle zurück«, sagte ich ihm glatt ins Gesicht und spürte einen derartigen Widerwillen gegen meinen eigenen Vorschlag, dass ich loslachen musste.
»Jenö«, rief Fraul, »was ist denn? Warum rennen Sie dauernd an mir vorbei? Einen halben Rot.«
Jenö blieb stehen. »Einen halben Rot? Was soll das denn?«
»Na, zwei Viertel auf einmal.«
»Zwei Viertel. Jawohl.«
»Besauf dich«, sagte ich. »Sehr hilfreich.«
Ich stand auf und ging. Beim Ausgang begegnete ich Katharina Dronte. Ich grüßte sie überrascht, sie gab den Gruß freundlich zurück. Ich wollte sie fragen, seit wann sie ins Pick Up gehe, da war sie schon an mir vorüber. Ich schaute ihr nach, bemerkte, wie sie sich umblickte und auf den Tisch von Karel zusteuerte. Ich sah sie noch Begrüßungswangenküsse austauschen, dann hatte ich genug. Ich wusste nicht, was mir noch bevorstand, sonst wäre ich nicht am nächsten Tag privat zu Peter Adel gegangen, um mich für Karel einzusetzen. Und ich kam keinen Tag zu früh. Adel wollte den blöden Fraul ersetzen, er wusste nur noch nicht durch wen. Ich musste Peterchen einwickeln. Was ich alles ins Treffen führte! Ich erinnerte ihn daran, dass Karls Eltern in Auschwitz gewesen waren. Er winkte ab, denn das sei ja kein Verdienst und nicht einmal ein Zugewinn für den Herrn Sohn.
»Oder aber doch«, sagte er plötzlich. »Mir kommt eine Idee.«
Ich hatte es wieder mal geschafft. Aber wozu?
17.
Über die Austria Presse Agentur tickte noch am selben Abend die Meldung von der Kotattacke auf Krieglach in die Redaktionen. Das Land gab sich bestürzt, bedenkliches Kopfgewiege bei den Politikern. Der neue Bundeskanzler
Habitzl wurde bei seinem Staatsbesuch in Paris vor die Fernsehkamera geholt, er war vom Tisch des Galadiners aufgestanden, hatte noch Zeit, sich den Mund mit der blau-weiß-roten Stoffserviette abzutupfen, und musste zu den Scheißhaufen vor Krieglachs Türen seine Stellungnahme abgeben. Habitzl war häufig unterwegs, er kam wegen der vielen Staatsbesuche, die er gleichsam statt des in der Hofburg eingesperrten Präsidenten absolvieren musste, kaum zum Regieren. Anfangs genoss er es ein wenig, zugleich als Kanzler und Präsident zu agieren, aber schon hier in Paris war ihm das Ganze lästig geworden.
Habitzl hatte die Absicht, in Österreich Veränderungen herbeizuführen, und er ahnte, dass es dabei auch mit der sogenannten Vergangenheitsbewältigung ernst werden würde. Bisher hatten die Regierenden alles auf die lange Bank geschoben, was dort Platz hatte. Diese Zeitbeule platzte nun, der Saft schoss in alle Richtungen davon und verbreitete seinen Geruch, den man auch noch in fern gelegenen Gegenden zu bemerken glaubte.
Habitzl ging von der Festtafel bloß einige Schritte und durch eine Tür, und schon wurde er von Redakteur Kleinbauer empfangen, der bereits im Morgengrauen im Auftrag des ORF den Flug nach Paris genommen hatte, um höchstpersönlich das Interview zu führen. Habitzl stellte sich neben ihn, rief sich ins Gedächtnis, was seinem Kabinettchef Wendelin Katzenbeißer vor zwei Stunden Bürgermeister Purr berichtet hatte. Der Kanzler wandte sich an Kleinbauer sagte: »Momenterl« und las, indem er sich leicht wegdrehte, den Kassiber, den ihm Katzenbeißer zugesteckt hatte.
Hernach verurteilte der Bundeskanzler das Fäkalattentat. Er war der Erste, der die Scheißkübelattacke so bezeichnete, und als Fäkalattentat ging sie in die Geschichte ein. Er
distanzierte sich in gewundenen Formulierungen, wie es seine Art war, von im wahrsten Wortsinn braunem Gedankengut, das sich in dieser Tat offenbarte.
»Überhaupt«, sagte er zu seiner eigenen Überraschung, »müssen wir Österreichs Rolle während der Nazizeit neu überdenken. Es genügt nicht, sich als Opfer Hitlers zu fühlen. Und ich begrüße nachdrücklich die
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