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Der Kammerjäger

Der Kammerjäger

Titel: Der Kammerjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Fitzhugh
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Charms.
    Er kippte die Schachtel um und schüttelte die letzten paar Flocken heraus. Eine tote Kakerlake purzelte in die halbvolle, oder halbleere, Schale - je nachdem, wie man es betrachtete.
    Bob fischte die Kakerlake aus den klee- und mondförmigen Marshmallows heraus. Wahrscheinlich war sie an einer Überdosis Konservierungsstoffe verendet. Beinahe zärtlich betrachtete Bob das rötlichbraune Tier. Im Paläozoikum waren sie weit verbreitet gewesen und in den letzten vierhundert Millionen Jahren hatten sie sich nicht wesentlich verändert. Ihre fossilen Reste waren in einer bestimmten geologischen Schicht derart zahlreich gewesen, daß manche jene Periode als die Zeit der Schaben bezeichneten. Heute gab es etwa fünfundfünfzig bekannte Arten in den Vereinigten Staaten, von denen die meisten im Freien lebten. Nur fünf Arten lebten gewohnheitsmäßig in Gebäuden. Und obwohl Bob wußte, daß es nicht die saubersten Insekten waren, hatten Schaben ihn nie gestört, sicherlich nicht so wie die gewöhnliche Stubenfliege (Musca domestica). Schließlich verbreiteten Schaben, anders als allgemein angenommen, keine menschlichen Krankheiten.
    Die Stubenfliege dagegen trieb sich auf feuchter Scheiße herum, bevor sie auf menschlichem Essen landete und Fäkalmaterie hochwürgte, wodurch sie Typhus, Ruhr, Durchfall sowie Maden-, Haken- und Bandwürmer übertrug. Bob fand die Stubenfliege einfach widerlich.
    Eines Samstagnachmittags hatte Mary überrascht zugesehen, wie Bob, die Hände mit Gummi-Arbeitshandschuhen geschützt, eine geschlagene Dreiviertelstunde lang eine Fliege quer durch das Haus verfolgte, bis er sie schließlich an einer Wand zur Strecke brachte.
    Mit einer gelegentlichen Schabe konnte Bob jedoch leben. Er entfernte das Tier mit den spröden Flügeln aus seinem Essen und trug es an den Fühlern zum Mülleimer.
    Der Milchkarton im Kühlschrank war fast leer, enthielt vielleicht nur noch sechs Eßlöffel. Bob ging zur Spüle und fügte etwas Leitungswasser hinzu. Null Komma null null zwei Prozent Milch, dachte er. Weniger Fett und kein Geschmack. Er goß die dünne weiße Flüssigkeit auf seine Lucky Charms.
    Einsam und verlassen auf seine Mahlzeit starrend, saß Bob da und versuchte, sich nicht von seiner Situation unterkriegen zu lassen. Er seufzte.
    Als er den Löffel an den Mund führte, fiel s'ein Blick auf seine Uhr. «0 Scheiße!» platzte er heraus und blies in einem dünnen Schauer von Null Komma null null zwei Prozent Milch einen grünen Klee-Marshmallow durch den Raum. Beinahe hatte es Bob vergessen: Er hatte einen Termin mit dem Besitzer von «Maison Henri», einem französischen Bistro an der Upper West Side, das zur Zeit en vogue war und ein kleines Schabenproblem hatte.
     
    Bob würde dem großen Henri persönlich seine Methode der vollbiologischen Schädlingsvernichtung auftischen. Wenn Henri die Idee kaufte, hätte Bob die Gelegenheit, die erste seiner Kreuzungen auszuprobieren - «Rasse Null», wie er sie nannte -, und dazu noch in einem größeren Maßstab als in seinen Insektarien.
    Sein Numerierungssystem begann Bob mit Null statt mit Eins, weil - so ähnlich wie «Boden nullpunkt» bei einer Atomexplosion oder «Nullpatient» bei der Aids-Seuche - «Rasse Null» schön unheildräuend klang und sich nach Tod und Zerstörung anhörte, genau was er sich bei seinen gekreuzten Viechern erhoffte.
    Er stellte die Schale mit den Lucky Charms in den Kühlschrank, damit sie nicht verdarben. Dann stürzte er zur Hintertür hinaus zu seinem Auto, einem rapide abbauenden Ford Pinto mit dem berüchtigten Heckbenzintank. Eigentlich hatte Bob ein AMC Hornet haben wollen, aber da er ihn sich nicht leisten konnte, hatte er sich mit dem altersschwachen und potentiell explosiven Ford begnügt.
    Er stieg in den Pinto, der einige Fehlzündungen von sich gab, bevor er spuckend und widerstrebend ansprang. Dann steuerte Bob die müde Maschine, so schnell er sie antreiben konnte, aus der Ausfahrt heraus und kachelte die Straße hinunter zu dem Termin, den er beinahe vergessen hatte.
    Etwa drei Sekunden später klingelte es an der Haustür.
    Auf der dicken grünen Farbe der Türschwelle von Bobs Haus (Nummer 2439, 30th Street) stand geduldig ein freundlicher Fahrer von UPS, in der Hand das fette Päckchen Bargeld, das Marcel als Bezahlung für den Huweiler-Auftrag geschickt hatte.
    Als der freundliche Typ von UPS heftig klopfte, fiel eine der Hausnummern, die Neun, auf den Boden. Während er sich danach bückte,

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