Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
war so laut geworden, dass Enna fürchtete, er würde damit noch die Drachen und Gulvaren auf sie aufmerksam machen.
»Du redest Unsinn, Bronn«, hielt Enna dagegen. »Jorim und ich sind für unser Schicksal selbst verantwortlich, und was Elvor anbelangt«, sie räusperte sich, »in dem steckt mehr, als du ahnst.«
»Ich hoffe nur, dass du recht hast«, entgegnete Bronn und ließ sich gegen die Höhlenwand sinken.
Die Zeit schritt voran, und im Licht des Drachenfeuers stellte Enna fest, dass auch Alvendorah fror. Die Elfe zitterte und ihre Lippen waren blau. Enna fragte sich, wo Gwendalon nur blieb, als das Innere ihres Unterschlupfes erneut aufleuchtete. Und plötzlich stand, wie aus dem Nichts, Gwendalon mitten in der Höhle. Sie hatten ihn nicht kommen hören.
Der Krieger trug einen großen Stapel Holz auf dem Arm und legte diesen nun auf den Boden. »Verzeiht, dass es so lange gedauert hat. Die Holzsuche gestaltete sich mühsamer als gedacht.«
»Aber die Gerölllawinen sind doch gespickt mit abgestorbenen Baumstämmen«, entgegnete Jorim etwas mürrisch.
»Das sind keine Baumstämme.«
»Was dann?«, wollte Enna wissen.
»Drachenknochen.«
Stille kehrte ein, während Gwendalon sich daranmachte, Zweige aufzuschichten und trockenes Moos dazwischenzuschieben. Enna war froh, dass das Frieren bald ein Ende haben würde. Dann rollte plötzlich Donner über den Himmel, ein gewaltiger Blitz erhellte die Nacht, und wie um Gwendalons Worte zu bestätigen leuchtete ein Drachenskelett draußen vor der Höhle in fahlem Weiß auf. Daneben wand sich ein grüner Drache im Todeskampf, vermutlich war er eben erst hinabgefallen. Abermals krachte es, noch lauter als zuvor. Enna schüttelte grimmig den Kopf. »Was geht da draußen bloß vor sich?«
»Ein Unwetter zieht auf«, antwortete Gwendalon ungerührt, während er mit zwei Feuersteinen das Moos entzündete. Funken sprangen davon, und schließlich züngelte ein kleines Flämmchen empor. Vorsichtig blies er hinein, und allmählich entstand ein wärmendes Feuer. Gitterförmig schichtete Gwendalon das Holz auf, und bald schon drängten sich die Gefährten um die Flammen. Sie entledigten sich ihrer Umhänge, versuchten diese so gut wie möglich zu trocknen und legten sich nieder. Schlaf fanden sie allerdings kaum, denn ihre Kleider blieben klamm, und die Schlacht am Himmel wurde von rollendem Donner und gleißenden Blitzen abgelöst. Einmal sogar erzitterte der ganze Drachenkrater, als würde eine Bestie, größer noch als ein Gulvar oder ein Drache, den Berg aus dem Boden reißen wollen.
Wo eben noch Gulvaren gegen Drachen gekämpft haben, ringen nun Blitz und Donner miteinander, dachte Enna.
So erschreckend das Gewitter auch war, vielleicht hatte es ja den Drachen das Leben gerettet. Es war eine vage Hoffnung, das war ihr klar. Trotzdem hielt sie sich in dieser Nacht daran fest.
26. IM DRACHENKRATER
»Die höchste Stufe, die ein Elfenkrieger erreichen kann, ist, wenn er Anduviel-Akaren ist«, hörte Enna Gwendalon murmeln. Schon seit einiger Zeit unterhielt er sich mit Bronn Sternenfaust über die Kunst des Kampfes. Ihr Bruder Jorim hatte sich, wie Enna auch, nahe am Feuer zusammengerollt. Sein gleichmäßiges Atmen verriet ihr, dass er – zumindest im Augenblick – schlief. Alvendorah saß mit geschlossenen Augen und untergeschlagenen Beinen am Feuer und schien in eine Art Meditation vertieft.
»Und bist du so ein – wie war das noch mal – Akuren?«, brummte Bronn.
»Anduviel-Akaren«, verbesserte ihn Gwendalon. »Nein. Anduviel-Akaren bedeutet, wie der weiße Nebel zu sein. Er offenbart sich jedem, dennoch umhüllt er alles. In seiner Stille können Freund und Feind gleichermaßen Heilung finden und zu einem Bewusstseinszustand gelangen, in dem wir auch den Geist verlorener Freunde spüren können. Erreichen wir diesen Bewusstseinszustand, so spielen Krieg und Kampf keine Rolle mehr, denn wir entsagen ihnen.«
Bronn erwiderte etwas, doch Enna verstand es nicht mehr. Die gemurmelten Worte machten sie müde, und allmählich fiel sie in einen tiefen Schlummer.
Weißer Nebel zog auf. Enna blieb stehen, sie wusste nicht, weshalb sie gerannt war oder wohin sie wollte. Sanft berührte das feuchte Weiß ihr erhitztes Gesicht und kühlte es auf angenehme Weise. Wie eine liebevolle Umarmung, ein Mantel aus Stille umhüllten sie die Nebelschwaden. Dann nahm sie eine Bewegung darin wahr. Eine große Gestalt schimmerte rötlich, kam langsam auf sie zu. Enna verspürte
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