Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
die Dunkelheit verdrängen und das Herz der Erde schlägt«, murmelte Enna plötzlich, als sie sich an die Worte des Drachen aus ihrem Traum erinnerte. Sie presste beide Handflächen gegen das Gestein, aber außer dass es sich kühl anfühlte, konnte sie nichts spüren, und das stimmte sie ein wenig traurig. Doch davon wollte sie sich nicht beirren lassen. Im Gegenteil, es machte sie neugierig und trieb sie an, den Kristallen zu folgen. »Lasst uns weitergehen«, forderte sie die anderen daher auf.
Sie folgten dem Gang, der ein langes Stück geradeaus verlief, sich dann jedoch in einem Bogen nach unten wand. Die Größe des Tunnels veränderte sich nicht, etwas anderes allerdings sehr wohl: die Kristalle! Hatten sie bislang lediglich ein silbriges Licht verströmt, so waren sie nun von zarten Rosatönen durchsetzt. Auch dominierten die farbigen Gesteinsschichten immer mehr, es war kaum noch normales Felsgestein vorhanden.
Verblüfft sahen sich die Gefährten um und folgten dem Verlauf des Ganges auf leisen Füßen. Allmählich wurde es immer wärmer, was ihnen nach ihrer gestrigen Durchquerung des Sees sehr gelegen kam.
Der Tunnel wurde breiter, und zu beiden Seiten taten sich immer wieder riesige Höhlen auf, deren Felswände ebenfalls von leuchtenden Kristalladern durchzogen waren. Allerdings waren diese nicht von der gleichen Farbe wie im Hauptgang, sondern schimmerten in unterschiedlichen Grün-, Blau- oder Gelbtönen. Klares Wasser lief über die Felswände und ließ die Farben pulsieren und lebendig wirken, ehe es sich am Boden in kleinen Pfützen sammelte.
Eine Höhle nach der anderen passierten die Gefährten. Bisher waren sie alle leer gewesen, doch aus der nächsten hörten sie ein Geräusch dringen. Alvendorah hob die Hand und blieben stehen. Mit gespanntem Bogen schlich die Elfenfrau zum Eingang und spähte vorsichtig hinein. Abermals drang ein Schaben, dann ein leises Fiepen an ihre Ohren.
Alvendorahs Miene war sichtlich angespannt. Doch dann überzog ein blaues Leuchten, das aus der Höhle drang, ihr Gesicht und das nachtschwarze Haar, und als sie sich zu den anderen umdrehte, lächelte sie. Langsam senkte sie den Bogen, ließ sich in die Hocke nieder und winkte sie herbei. Sofort tippelten die Halblinge los, auch der Elfenkrieger folgte, seine Klinge immer noch kampfbereit in den Händen.
Enna traute ihren Augen kaum: In der mit bläulichen Gesteinsadern durchzogenen Höhle lag ein riesiger blauer Drache. Das mächtige Haupt mit den Hörnern – zwei große wuchsen aus dem Kopf, ein kleineres zierte die Nüstern – lag auf den angewinkelten Beinen. Lange schwarze Klauen hatten sich in den Höhlenboden gegraben, und sein langer Schwanz war um den riesenhaften Körper gerollt. Die dicken Hornplatten hoben und senkten sich gleichmäßig; der Drache schien zu schlafen.
Doch da war noch etwas. Enna nahm eine Bewegung wahr, und kurz darauf hörte sie wieder ein Fiepen.
»Ein Drachenjunges!«, flüsterte Jorim da schon und sprang auf. Rasch legte sich Bronns Hand auf seine Schulter und drückte ihn nach unten, einen Finger hatte er mahnend auf die Lippen gelegt.
Tatsächlich reckte sich nun ein kleiner blauer Kopf zwischen den Vorderläufen des Drachen empor und spähte zu ihnen herüber. Das Drachenjunge, gerade mal so hoch wie ein Halbling, legte den Kopf schräg und musterte sie aus neugierigen, dunklen Augen.
»Es ist wunderschön«, flüsterte Enna. »Seine Schuppen funkeln wie Diamanten.«
Der kleine Drache hob den Kopf noch weiter in die Höhe, blähte die Nüstern und schien zu wittern. Dabei pufften immer wieder kleine Flämmchen aus seinen Nasenlöchern. Fasziniert schaute Enna zu, doch bald schon überkam sie eine große Trauer. »Die Gulvaren dürfen die Drachen nicht auslöschen! Es darf einfach nicht sein.«
Sie spürte, wie Alvendorahs Arm sich um sie legte. »Das wird sicher nicht geschehen. Aber jetzt sollten wir gehen, bevor die Mutter des Kleinen aufwacht. Schließlich wollen wir ja ihren Anführer finden.«
Schweren Herzens wandte sich Enna ab, und die Gruppe setzte ihren Weg fort, leiser, denn sie wussten nun, dass nicht alle Höhlen leer waren. Immer wieder sahen sie links und rechts Drachen darin liegen, meist in tiefem Schlummer, doch manchmal auch wach, sodass sie sich äußerst behutsam vorbeischleichen mussten. Die meisten Höhlen waren jedoch verlassen, und das erschreckte Enna zutiefst.
»Die Farbe der Kristalle verändert sich wieder, seht nur!«, sagte Jorim und
Weitere Kostenlose Bücher