Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
verschlingen.
Dann zog sich die Erinya zurück, der Schatten verschwand. Die drei Halblinge atmeten erleichtert aus, wagten aber nicht, sich zu bewegen, denn noch immer konnten sie die Stimmen ihrer Verfolger hören. Eine ganze Weile verharrten sie regungslos; erst als Stille eingekehrt war und sie sich einigermaßen sicher fühlten, schob sich Enna behutsam vorwärts.
Da legte sich eine Hand mit eisernem Griff um ihren Oberarm und zerrte sie aus dem Spalt heraus. Enna schrie auf, einen Moment später blickte sie in das ausgezehrte Gesicht einer dunkelhaarigen Fackelträgerin.
»Ich bin eine Erinya. Ich kann eure Angst riechen!«, sagte sie leise, dann schubste sie Enna von sich, direkt in die Arme einer anderen Erinya. Im selben Moment stürmten Jorim und Bronn aus dem Unterschlupf. Bronn holte mit der Axt aus und schlug der dunkelhaarigen Frau gegen das Knie. Die Getroffene sackte zu Boden, während Bronn die Axt sofort wieder nach oben riss und seine Gegnerin mit voller Wucht am Kinn erwischte. Es gab ein knackendes Geräusch, als würden Knochen brechen. Die Erinya stürzte zu Boden und rührte sich nicht mehr. Weiter kam Bronn jedoch nicht. Eine Geißel schlang sich um seinen Oberkörper und riss ihn zurück. Bronn prallte gegen einen Felsen und rollte durch die Wucht einen Hang hinab, wo er reglos liegen blieb.
»Bronn!«, schrie Enna und versuchte verzweifelt, sich zu befreien. Doch dem Griff der knochigen Finger entkam sie nicht. Auch Jorim wollte dem alten Halbling zu Hilfe eilen, aber eine andere Erinya stürzte sich mit ihrer Fackel in der Hand auf ihn und schlug ihn zu Boden. Dann stellte sie sich über ihn und holte mit der lodernden Fackel aus.
»Nein!« Ennas Schrei hallte in der felsigen Umgebung wider. Sie wehrte sich mit aller Kraft gegen den eisernen Griff der Erinyen-Hände, aber es war vergeblich. Ihre Gedanken rasten. Noch nie in ihrem Leben hatte sie eine derartige Angst verspürt.
Die tödliche Fackel schoss auf Jorims Brust zu – und wurde von einem Peitschenhieb aus der Hand der Erinya geschlagen.
»Halt!«, durchschnitt eine scharfe Stimme die Luft. Hektisch atmend wandte Enna den Kopf. Auf einem flachen Stein stand eine lange, hagere Gestalt, größer noch als alle Erinyen, die sie je gesehen hatte. Es war ein männlicher Erinya, und seine Hand umschloss einen mit Schriftzeichen verzierten Peitschengriff, aus dessen Ende eine Klinge ragte. Die fast nachtschwarzen Augen in dem harten und markanten Gesicht waren auf die Frau gerichtet, die Jorim soeben hatte töten wollen.
»Yorak!«, sagte die Erinya. Einen Augenblick lang glaubte Enna, Angst in ihrer Stimme zu hören, dann ließ die Erinya von Jorim ab und hob ihre Fackel wieder auf.
Yoraks Blick schweifte nun zu Jorim und dann zu Enna. Der grausige Schrecken, den der Erinyen-Blick sonst auslöste, blieb dieses Mal aus. Dennoch hatte Enna das Gefühl, ihre Seele würde von langen Nadeln durchstoßen werden, als seine Augen sie erfassten.
»Was sollen wir mit den Gefangenen tun, außer sie zu töten?«, fragte jene Erinya, die Enna festhielt. Enna blickte zu der Frau empor. Trotzig reckte diese ihr spitzes Kinn nach vorne.
»Das wird allein Zervana von Myrador entscheiden, sonst niemand«, entgegnete der große Mann ungerührt. »Bringt sie zu ihr!«
Der Erinya namens Yorak wandte sich ab, wobei sein langer, durchlöcherter Umhang herumwirbelte.
»Ich weiß nicht, wer schlimmer ist«, zischte die Erinya, die Jorim attackiert hatte und ihn nun gewaltsam auf die Füße zerrte. »Dieser verfluchte Fürst der Ghule oder Yorak.«
Die andere erwiderte nichts, warf lediglich einen kurzen Blick auf ihre von Bronn getötete Gefährtin.
»Was wird aus Bronn? Wir können ihn nicht einfach zurücklassen!«, rief Enna und versuchte ihrer Stimme einen festen Klang zu geben.
Da traf sie auch schon eine schallende Ohrfeige und riss sie von den Füßen. »Er ist tot, oder wird es bald sein!«, sagte die Erinya und funkelte Enna an. Auch sie hatte dunkle Haare und diese schrecklichen Augen. »Den Hieb einer Erinyen-Geißel überlebt niemand. Wir haben ihm nur einen Gefallen erwiesen, denn er war ohnehin alt.«
»Lass meine Schwester in Ruhe, du elendes Knochenweib!«, brüllte Jorim, aber die andere Erinya hielt ihn fest gepackt.
Dann zogen sie Enna und Jorim mit sich, ohne sich die Mühe zu machen, die Halblinge zu fesseln.
Enna senkte den Blick. Jetzt war alles verloren! Genau das, was sie hatten vermeiden wollen, war geschehen: Kurz
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