Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
werden dann rasch feststellen, dass es für eine Armee nur einen Weg hinein nach Westendtal gibt: durch das große Haupttal.«
Plötzlich durchfuhr Elvor ein Schrecken, und er sprang auf. »Was sagt ihr da?«
Ambrin blickte ihn verwundert an, und auch Talegrin hielt inne. Mit seiner Pfeife zeigte er auf Elvor. »Was ist denn los mit dir?«
»Bei allen Holzwürmern in Westendtal, warum habe ich nicht gleich daran gedacht?« Elvor griff sich an die Stirn. »Die Erinyen werden die Gegend ausspionieren und dabei auf unsere Wachen in den Bergen stoßen!«
Im Schein des Feuers konnte Elvor nun auch die Besorgnis in den Gesichtern der beiden alten Halblinge deutlich erkennen.
»Wir müssen die Wachen noch in dieser Nacht verstärken!«, stieß Elvor aufgeregt hervor. »Ich gehe gleich los und suche Freiwillige.«
»Ich begleite dich«, bot Talegrin an. Eilig entzündete er seine Pfeife mit einem Holzspan, und als der Rauch des in Brand gesteckten Sternenreiters emporstieg, nickte er. »Nichts wie los!«
Gemeinsam stapften sie in Richtung Flusstal davon. Dort hofften sie, noch andere Halblinge zu finden, die sich den Wachen in den Bergen anschließen würden. Doch dazu müssten sie noch in dieser Nacht aufbrechen. Elvor wollte als Erstes in den Tavernen nachfragen. Denn angesichts der nahenden Bedrohung fanden die wenigsten Schlaf und drängten sich in den Tavernen, wo sie Gemeinschaft suchten.
»Sobald die Leuchtfeuer brennen, werden wir die Barrikaden besetzen«, rief ihnen Ambrin hinterher. »Wir werden nicht auf euch warten!«
»Das solltet ihr auch nicht!«, rief Elvor noch über die Schulter, und schon war er mit Talegrin davongeeilt.
Sie waren kurz vor Flusstal und konnten schon die Kuppeldächer der Halblingsbehausungen erkennen, da kam ihnen Jul mit einem Halblingsmädchen entgegen. Gemeinsam trugen sie einen Topf und blickten erstaunt auf, als sie Elvor und Talegrin sahen.
»Ich habe Eintopf für euch gemacht«, verkündete Jul stolz. »Den wollten Linni und ich gerade zu euch bringen.«
Doch Elvor und Talegrin stürmten an ihnen vorbei. Talegrin schnupperte lediglich kurz in Richtung des Topfes und schüttelte den Kopf. »Ein Jammer, dass wir keine Zeit haben!«
»Aber was ist denn los?«, fragte Jul.
»Erinyen und Ghule sind los, Jul.« Elvor war gereizt, doch dies war lediglich dem Ärger über sich selbst geschuldet. Er hatte versäumt, die Wachen rechtzeitig zu verstärken. Haltet sie auf! Diese Worte bohrten sich wie ein gefräßiger Holzwurm immer tiefer in seinen Kopf. Allerdings packte ihn dann doch das schlechte Gewissen und er blieb kurz stehen. »Tut mir leid! Es ist nett von euch, uns Essen zu bringen, aber wir müssen weiter, um mehr freiwillige Wachen zu finden. Ambrin wird sich allerdings sehr über den Eintopf freuen.«
»Ich finde es ja gut, dass du dich geändert hast, Elvor Sternenfaust!«, entgegnete Jul. »Aber das geht eindeutig zu weit! Kein Halbling schlägt Fischsuppe aus Flusstal aus.«
Nun lief Elvor doch das Wasser im Mund zusammen, und Talegrin, der ebenfalls angehalten hatte, schluckte und sah ihn mit einem bettelnden Gesichtsausdruck an. Doch all das nützte nichts – sie mussten weiter.
Tatsächlich erklärten sich noch genug Halblinge bereit, Elvor und Talegrin zu folgen, und so zogen in dieser Nacht dreißig Angehörige des kleinen Volkes los, um die Wachen in den Bergen zu verstärken.
»Hätten wir uns nicht einen anderen Wachposten aussuchen können?«, beschwerte sich Tipplin Zündfuß. »Dieses ständige Heulen des Windes in der Wolfsklamm geht mir gehörig auf die Nerven!«
»Schätze, dafür ist es jetzt zu spät!«, entgegnete Toram und sah hinauf in den Himmel. Ein halber Mond hatte sich erhoben und spendete zumindest etwas Licht. Allerdings war es nicht der faszinierende Nachthimmel, den sie die meiste Zeit über betrachteten, sondern die Wolfsklamm. An deren oberen Ende saßen nämlich Ombur Felsenschlag und Edegart Steinacker, um ihrerseits auf das Leuchtfeuer zu warten.
»Ich habe schon einen ganz starren Blick«, murrte Tipplin mit vollem Mund. Seit einiger Zeit kaute er auf einem Stück Brot herum.
»Sieh mal da!« Toram richtete sich auf und zeigte nach oben. Als wolle sie dem Verlauf der Wolfsklamm folgen, raste eine Sternschnuppe über den Nachthimmel.
Tipplin hielt mit dem Kauen inne und beobachtete das schnell dahinziehende Licht, bis es verglüht war.
»Mein Urgroßvater nannte sie immer Himmelsfunken«, erklärte er schließlich.
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