Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
sie. »Und doch war der alte Halbling in der Lage, eine Axt zu schwingen und eine meiner Streiterinnen damit zu töten. Aber nun ist er ja tot.«
Jorim riss seine Hand zurück, und Enna sah, wie er vor Wut die Augenbrauen zusammenzog. Die Erinya jedoch lachte nur und stolzierte zu Enna. »Haare wie der Sonnenschein«, sagte sie schmeichelnd und wickelte eine von Ennas Locken um ihren Finger. Ihre andere Hand langte in ihren Umhang, holte einen kurzen Dolch hervor – und schnitt die Haarsträhne ab. »Das hilft mir, mich an jene zu erinnern, die ich getötet habe.« Die Erinya schmunzelte, doch es lag keine Freude in diesem Gesicht. »Ein neuer Brauch von mir.«
Sie trat zurück, verschränkte die Arme vor der Brust, und das kalte Lächeln in ihrem Gesicht verflog. »Ihr verbarrikadiert also den Hauptzugang zu den Tälern mit einer riesigen Gerölllawine und wollt ein Feuerchen entzünden, wenn die bösen Frauen kommen.« Sie bedachte die beiden Halblinge mit einem abschätzigen Blick. »Was für ein erbärmlicher Plan.«
Enna lief ein Schauder über den Rücken. Sie warf Jorim einen flüchtigen Blick zu, doch ihr Bruder deutete nur ein Schulterzucken an.
»Ihr glaubt mir nicht, dass wir das bereits wissen?« Tadelnd schnalzte die Erinya mit der Zunge. »Allein für diese Beleidigung sollte ich euch töten. Schade, dass die Boten, die ich ausgesandt habe, nicht nach den Namen der Halblinge fragten, die sie getötet haben. Dann wärt ihr wohl überzeugt.«
Enna konnte spüren, wie Jorim sich anspannte. Sie hoffte, dass er jetzt nicht unbesonnen handelte, denn außer einem raschen Tod würde er damit nichts gewinnen.
Zu allem Unheil tauchte auch noch ein Ghul auf, der einen furchteinflößenden Anblick bot. Obwohl er in leicht gebückter Haltung daherschlich – was bei ihm ganz sicher nichts mit Unterwürfigkeit zu tun hatte –, war er ebenso groß wie Zervana. Nur ein Lendenschurz bedeckte das Nötigste. Enna konnte sich ohnehin nicht vorstellen, dass irgendein Kleidungsstück die gewaltigen Muskeln dieser Kreatur hätte verbergen können. Die Haut des Ghuls war ungewöhnlich dunkel, was durch die langen weißen Haare noch betont wurde. Groteskerweise waren die Spitzen der Haare verklebt und beinahe schwarz – eine Farbe, wie sie nur getrocknetes Blut hatte. Auch Yorak richtete sich auf, als er den Ghul sah. Die Arme des Erinya, eben noch lässig vor der Brust verschränkt, sanken herab, eine Hand verweilte in unmittelbarer Nähe seines Peitschengriffes.
»Der Fürst der Ghule«, grüßte die Usurpatorin, und ein Hauch von Spott schwang in ihrer Stimme mit. »Sagt mir, Hanafehl, wie kommen die Ghule mit dem Beseitigen der Steine voran?«
»Wir Ghule sind stark, Zervana von Myrador«, entgegnete der Ghul mit kehliger Stimme. Auch er klang höhnisch. »Was eure Geißeln nicht packen können, umfasst der starke Arm eines Ghuls mühelos. Schon morgen werden wir eine Schneise freigeräumt haben.« Während er sprach, war sein Blick auf die Halblinge geheftet. Enna wusste nicht, wer ihr mehr Unbehagen bereitete: Zervana mit ihrer boshaften Aura oder dieser Ghul mit Augen, die an bläulich schimmerndes Eis erinnerten.
»Was sind das für kleine Kreaturen?«, wollte er wissen und machte einen Schritt auf Enna und Jorim zu. Er hob den Kopf und schnüffelte, seine großen Nasenflügel begannen dabei zu beben. »Sie machen mich hungrig.«
»Das sind Halblinge«, klärte Zervana ihn auf.
Hanafehl entblößte seine Reißzähne, was wohl ein Lachen sein sollte.
»Was ist daran so lustig?«, wollte Yorak wissen.
»Ich finde den Gedanken amüsant, dass zwanzigtausend Erinyen gegen diese kleinwüchsigen Wesen ziehen. Nur gut, dass ihr zehntausend Ghule an eurer Seite habt.«
»Euer Sinn für Humor ist fehl am Platz, Hanafehl«, wies ihn Zervana mit kalter Miene zurecht. »Ihr kennt den Grund unseres Bündnisses. Und was diese da angeht«, Zervana zeigte auf die Halblinge, »hütet Euch davor, sie anzurühren. Denn sie werden uns durch diese Täler bis nach Westendtal hinein führen.«
Das war es also, weswegen Yorak sie am Leben gelassen hatte. Die Erinyen erwarteten von ihnen, dass sie sie durch die Vergessenen Täler führten.
»Lieber sterbe ich, als euch zu helfen!«, entfuhr es Jorim.
»Du wirst beides tun, glaub mir«, entgegnete Zervana ungerührt.
Auch Enna wollte dieser grausamen Herrscherin etwas entgegensetzen. Doch wenn sie sich selbst in Gefahr brachte, dann auch Jorim – denn sicher würde er
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