Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
weiteres Fach direkt im Deckel des Kästchens und holte mehrere Holzscheiben heraus, die in der Mitte verschieden geformte Aussparungen aufwiesen. »Du schiebst sie einfach hier in den Schlitz, schiebst dann den Holzriegel vor und schon kann es losgehen.«
»Interessant«, meinte Enna, »doch woher weißt du, was am Ende herauskommt?« Sie drehte eine der Scheiben in der Hand hin und her. »Diese Schablonen hier lassen gar nicht erkennen, welche Gestalt der Rauch am Ende annehmen wird.«
Jorim zuckte nur mit den Schultern. »Ich schätze, Versuch und Irrtum heißt die Lösung. Aber etwas fehlt noch …« Jorim öffnete noch ein Fach, das unter der Pfeife und dem Rauchkasten verborgen lag. »Jadokins Pfeifenkraut. Dem Rauchorakel sei Dank: Es ist noch was übrig.« Jorim öffnete ein Ledersäckchen, langte hinein und fischte einen beachtenswert breitblättrigen Tabak heraus. »Hier!« Jorim hielt es Enna hin, und seine Schwester schnupperte an dem Kraut, rümpfte aber sogleich die Nase. »Nichts, was ich rauchen möchte.«
»Nun, sicher entspricht es nicht dem verwöhnten Feinschmeckergaumen, da hast du schon recht«, gab Jorim zu, »dafür ist dieser Tabak zu beißend und für meinen Geschmack zu bitter, doch er bildet einen äußerst dicken und zähen Rauch, der so manch einem Lüftchen trotzt.«
Ein Grinsen überzog Ennas Gesicht. »Bruderherz, ich bin dabei!«
»Dann nichts wie los!«, rief Jorim, erfreut darüber, dass Enna sich an seinem Vorhaben beteiligte.
Rasch packten sie die Utensilien wieder ein und rannten gemeinsam zurück nach Nordbruch, so schnell ihre Füße sie trugen.
Beim Rauchorakel angekommen, linsten sie hinter einem Gebüsch hervor. Der Nachmittag war bereits angebrochen, und die vier Ratsmitglieder saßen unter der hölzernen Kuppel, in der sich schon eine beachtliche Menge Rauch angesammelt hatte. Doch noch schmauchten die vier, sogen an den verzierten Mundstücken, als gäbe es keine wichtigen Entscheidungen zu fällen.
Enna schüttelte den Kopf, dann deutete sie auf eine Anhöhe am anderen Ende der Lichtung. »Der kleine Hügel dort, der sich hinter dem Orakel erhebt, scheint mir für unseren Plan gut geeignet zu sein.«
»Worauf warten wir dann?«, entgegnete Jorim.
In großem Bogen umwanderten sie die Lichtung, um bloß nicht entdeckt zu werden. Dann kletterten sie den Hang hinauf und begaben sich hinter das Rauchorakel, wo sie sich in dichtem Buschwerk verstecken konnten. Von hier aus konnte Jorim sogar auf das Holzdach blicken, und als er einen Ast erspähte, der dem Dach sehr nahe war, kam ihm eine noch bessere Idee. Er zeigte auf den Ast, und Enna nickte zum Zeichen, dass sie verstanden hatte. Langsam schlichen sie vorwärts, kletterten auf den Baum – was mit ihren großen Halblingsfüßen nicht ganz einfach war – und schoben sich schließlich bäuchlings ganz behutsam über den Ast, bis sie langsam auf das Dach hinabsteigen konnten. Sie krochen auf die Metallöffnung zu – noch war diese fest verschlossen –, und endlich begann Jorim, die Pfeife seines Urgroßvaters Jadokin zu stopfen. Dann rieb er ein Zündholz an einem kleinen, aufgerauten Stein und steckte den Tabak an. Zufrieden nickend zog er an der Pfeife, musste jedoch würgen und einen Hustenanfall unterdrücken. Enna hatte ihm rasch die Hand auf den Mund gepresst.
»Was war das?«, kam eine Stimme von unten her. Es war Talund. Offenbar hatte er sie gehört.
»Sicher nur der Wind, der die Bäume zum Knarzen bringt«, hörten sie Helebert sagen. »Ich denke, es ist nun genug des Rauches.«
Kaum hatte Helebert gesprochen, ertönte ein metallisches Schaben, das von unangenehmen Knarzgeräuschen begleitet wurde. Unmittelbar vor den beiden Geschwistern klappten zwei Holzbretter langsam nach oben. Dicker Qualm stieg empor, trieb träge in den Himmel.
Jorim wartete einen Augenblick, paffte rasch einige Züge, um das Pfeifenkraut weiter zu entfachen, und blies den Rauch in den hölzernen Kasten.
»Welche Scheibe sollen wir denn nehmen?«, flüsterte Enna und betrachtete die einzelnen Holzstücke. »Das hier, das könnte doch eine Schwinge ergeben. Eine Drachenschwinge vielleicht?«
Jorim nickte begeistert. »Lass es uns versuchen.« Er schob die Scheibe in den Schlitz, wartete kurz, dann öffnete er die Klappe und blies gleichzeitig in das Mundstück.
Mit großen Augen beobachteten sie, wie sich eine Rauchwolke bildete und nach oben stieg. »Oh nein! Das war die falsche Scheibe.« Jorim schlug sich die Hände
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