Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
und einen zittrigen Zeigefinger ausstreckte.
Die anderen folgten seinem Blick und waren nicht minder erstaunt als der dicke Halbling.
»Das ist jetzt eindeutig«, flüsterte Brim und schaute in den Himmel. »Eine Faust«, entfuhr es Helebert und Eren gleichzeitig.
Doch damit nicht genug. Der Regen hatte mittlerweile nachgelassen, und ein aufkommender Wind hatte nicht nur die Tannen zum Wanken gebracht, sondern auch ein Loch in die Wolkendecke gerissen. Dahinter lugte nun der dunkelblaue Nachthimmel hervor, und genau an dieser Stelle funkelte ein einzelner Stern, blitzte und glitzerte wie ein silberner Kristall. Der Faust gewordene Rauch stieg langsam empor, schob sich vor die Lücke in der Wolkendecke, wo er zu verweilen schien.
»Sternenfaust!«, flüsterte Brim ehrfürchtig.
Wie um seine Worte zu bekräftigen, fegte eine Windbö durch die Bäume, und ein gewaltiges Rauschen erfüllte die Lichtung.
Die vier Halblinge betrachteten die wankenden Bäume, deren Spitzen sich schwarz vor dem Firmament abzeichneten, und nickten sich schließlich ehrfürchtig zu.
»Oh Sternenfaust, oh Sternenfaust, dein Name im Sturmeswind er braust!«, riefen sie gleichzeitig.
»Oh Sternenfaust, oh Sternenfaust, dein Name im Sturmeswind er braust«, erklang es immer wieder von der Lichtung her. Jorim und Enna mussten schmunzeln, waren aber wegen des glitzernden Sterns am Himmel genauso erstaunt wie die vier Mitglieder des Rates.
»Eigentlich wollte ich noch einen Stern schnitzen«, sagte Enna und blickte zum Himmel.
»Die Arbeit kannst du dir jetzt sparen.«
»Das ist Magie, meinst du nicht auch?«
»Hm.« Zufrieden rollte Jorim sich auf den Rücken, zog noch einmal an Urgroßvaters Pfeifchen und sah zu, wie der Rauch bedächtig nach oben stieg.
5. KLEINE HELDEN
Als sich die Halblinge am nächsten Tag beim Rauchorakel versammelten, regnete es in Strömen, und die tief hängenden Wolken drückten die Stimmung zusätzlich. Das Ergebnis des Rauchorakels hatte in ganz Westendtal rasch die Runde gemacht, und so war nicht nur die Lichtung mit Angehörigen des kleinen Volkes gefüllt, auch den Waldrand säumten Dutzende Halblinge. Alle lauschten aufmerksam dem, was der Rat verkündete.
»Und so waren die Zeichen des großen Orakels eindeutig!«, tönte Talunds Stimme über die Köpfe seiner Zuhörer hinweg. »Mächtig erhob sich die Faust aus Rauch in den Himmel und verweilte dort vor dem hellsten Stern!«
Verlegen blickte Jorim zu Boden, bückte sich und zupfte einige Tannennadeln aus dem dichten Pelz, der seine großen Füße bedeckte. Ennas Mundwinkel zuckten kurz, doch gelang es ihr, eine ernste Miene zu bewahren.
»So haben wir, die verbleibenden vier Mitglieder des Rates, beschlossen, nach Bronn Sternenfaust, unserem Helden, zu suchen.«
»Irgendwie mag ich Talund nicht«, knurrte Enna leise.
»Ich auch nicht«, pflichtete Jorim ihr bei. »Er dreht sich wie Rauch im Wind. Gestern hielt er dieses Vorhaben noch für Unsinn.«
Amüsiert beobachtete Jorim, wie Ennas Nase zu zucken begann, sodass es aussah, als würden die Sommersprossen darauf auf und ab hüpfen. »Wie ein Stinktier im Wind, wolltest du wohl sagen.« Dieses Mal konnten sie beide nicht mehr an sich halten und lachten los.
»Ein größeres Rätsel als das Rauchorakel ist es für mich, dass manch einer Grund zum Lachen an diesem düsteren Tag findet – nicht wahr, Enna und Jorim Borkenfeuer?« Brim Mühlenstein blickte mit zusammengezogenen Augenbrauen zu ihnen herüber.
Mit gesenktem Kopf hielt sich Enna rasch eine Faust vor den Mund und räusperte sich. »Nein, eigentlich gibt es tatsächlich keinen Anlass zur Belustigung«, sie sah auf und zuckte kurz mit den Schultern, »aber wir freuen uns, dass Jorims Vorschlag, Bronn zu suchen, vom großen Orakel bestätigt wurde.« Sie warf Talund einen herausfordernden Blick zu, Jorim indes verschränkte die Arme vor der Brust und nickte nur.
Talunds Gesicht lief hochrot an, doch Brim hob die Hand, bevor der füllige Halbling etwas erwidern konnte.
»Ja, einem äußerst aktiven Orakel haben wir gestern beigewohnt«, rief Brim und ließ Enna und Jorim dabei nicht aus den Augen.
Ob er wohl etwas ahnt? , schoss es Jorim durch den Kopf.
»Doch nun«, fuhr Brim fort, »gilt es zu entscheiden, wer den langen Marsch in die Suravan-Berge antreten soll.«
»Es ist kein Geheimnis«, rief Eren Langschild und erhob sich, »dass unsereins die lieblichen Auen und Täler nicht allzu gerne verlässt. Dennoch bitte ich
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