Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
peitschen und Winde wehen,
Dort sind sie hin in eisige Höh’n.
Mit Schild und Schwert in Halblingshand
Trieben sie die Drachen über der Welten Rand.
Oh Sternenfaust, oh Sternenfaust,
Dein Name im Sturmeswind er braust!
Jorim sah sich zufrieden um und schmunzelte. Er hatte gehofft, mit der Erwähnung des legendären Sternenfausts eine solche Euphorie auszulösen.
»Gut gemacht«, flüsterte Enna ihm augenzwinkernd zu.
Helebert bedeckte sein Gesicht mit den Händen und schüttelte nur den Kopf, Talund hingegen stand auf und klatschte in die Hände. »Noch sind wir der Rat«, betonte er. »Die Geschichten, die sich um Sternenfaust ranken, sind gut und schön, und ich kenne sie alle. Dennoch sollten wir das Orakel befragen.«
»Talund hat recht«, stimmte Brim zu. Auch er und die anderen des Rates erhoben sich. »Es ist beschlossen: Wir befragen das Orakel. Geht zurück in eure Hügel und Häuser – oder auch Baumhäuser, wenn es sein muss«, Brim warf Jorim einen Blick zu und grinste, »und wartet, bis wir entschieden haben.«
Manch einer murrte, manch einer hob die Schultern, doch nach und nach verließen alle Halblinge die Lichtung.
»Die Erinyen werden ausgestorben sein, noch bevor die entschieden haben«, beklagte sich Enna und stieß mit dem Fuß einen Ast in die Luft, während sie auf dem Heimweg neben Jorim herschlenderte. Es war nicht mehr weit bis zu seinem Baumhaus.
»Jorim? Hörst du mir überhaupt zu?«
»Ja, ja, Enna, du hast recht.« Jorim rieb sich mit dem Zeigefinger hinter dem Ohr. »Wir müssen die Entscheidung irgendwie beschleunigen.«
»Und wie willst du das machen?« Seine Schwester sah ihn fragend und neugierig zugleich an.
Plötzlich blieb Jorim stehen. Er hatte eine Idee. »Warte einfach hier, ich bin gleich zurück.«
»Was …?« Weiter kam Enna nicht, denn Jorim preschte schon davon. Wieselflink eilte er durch den Tannenwald, rannte so schnell er konnte. Nur an einem Bächlein gönnte er sich eine kleine Verschnaufpause und trank einen Schluck von dem klaren, kühlen Wasser. Dann flitzte er weiter, huschte hinein in den Eichenwald, und bald schon erreichte er sein Baumhaus, dessen Veranda wohl weiterhin auf die dringend nötige Instandsetzung würde warten müssen. Eilig kraxelte er hinauf und ging in das kleine Zimmer ganz hinten, wo er einige alte Gegenstände seines Urgroßvaters Jadokin Borkenfeuer aufbewahrte. Dieser war bekannt gewesen für seine Sammelleidenschaft, und bald schon wurde Jorim fündig. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht zerrte er das eisenbeschlagene Kistchen hervor, linste kurz hinein und rannte dann zurück zu Enna. Dort angekommen ließ er sich atemlos und stolz zugleich – samt Kästchen – vor ihr auf den Waldboden plumpsen.
»Was ist das?«, fragte Enna und strich mit ihren Fingern über das glatt polierte Holz.
»Jadokins Pfeifenkästchen.«
»Das hier hat Urgroßvater gehört?«, rief Enna erstaunt. »Davon weiß ich ja gar nichts.«
»Du hast dich auch nie für seine Sammlung interessiert.«
Enna neigte den Kopf zur Seite und warf Jorim ein schiefes Lächeln zu. »Urgroßvater hat alles gesammelt, nicht nur Pfeifen, Klingen, Dolche und Bierkrüge, sogar Steine, abgebrannte Fackeln oder ähnlichen Unsinn soll er angeschleppt haben. Großmutter erzählte mir, einst hatte er sogar einen Haufen brauner, getrockneter Erde bei sich und meinte, es sei Drachenkacke.«
»Na und?« Jorim tat, als wäre das nichts Außergewöhnliches. »Solange man sie rauchen kann.«
»Jorim!«, entrüstete sich Enna und gab ihm einen Schubs. »Und nun mach das Kästchen schon auf! Ich will sehen, was drin ist.«
Nur allzu gern kam Jorim dem Wunsch seiner Schwester nach. Er klappte die beiden Eisenscharniere hoch und öffnete den Deckel. In dem Kästchen lag eine langstielige Pfeife mit einer großen, breiten Brennkammer. Daneben befand sich ein hölzerner Kasten mit einem Mundstück dran und einer breiten Klappe am anderen Ende.
»Wozu ist das denn?«, wollte Enna wissen und nahm das Kästchen in die Hand.
»Das ist eine Kunstpfeife«, erwiderte Jorim stolz. »Pafft man den Rauch in dieses Mundstück, kommt er am anderen Ende in einer bestimmten Form heraus, sobald man diese Klappe hier öffnet.«
»Aha.« Enna drehte den hölzernen Kasten hin und her und begutachtete ihn eingehend. »Und in welcher Form kommt er da wieder heraus?«
»Das hängt von der jeweiligen Schablone ab, die du in die Öffnung des Rauchkastens steckst.« Jorim öffnete ein
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