Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
Umgebung. »Kommt dir diese Stelle nicht bekannt vor?«
Enna sah sich um. Die zerklüfteten Felsen hatten sie weitestgehend hinter sich gelassen, da Zervana und Hanafehl das Heer unbarmherzig vorantrieben. Doch weder Erinyen noch Ghule schienen sich zu beklagen. Allmählich wurde das Tal hier sanfter, und der Erenin floss schon deutlich friedlicher dahin. Die Uferregion des Flusses war breiter und grüner geworden.
»Ich glaube, wir nähern uns jener Stelle, die Nespur uns kurz nach dem Aufbruch von dem Plateau mit den Steintürmchen aus gezeigt hat.« Sie blickte die steilen Bergwände empor, doch die höheren Bereiche waren in der mittlerweile hereingebrochenen Dunkelheit und den Regenschauern verborgen. Doch dann dämmerte es ihr.
»Oh nein! Nespur hatte Tipplin und Toram geraten, hier Gerölllawinen vorzubereiten!«
Jorim nickte. »Richtig. Wenn sie seinem Rat gefolgt sind, laufen wir geradewegs darauf zu. Und schon bald werden wir da sein, denn wie es aussieht, wollen die Erinyen die Nacht durchmarschieren.«
»Und niemand weiß, dass wir Gefangene der Erinyen sind!«
Diese Erkenntnis war schockierend. Bronn Sternenfaust war bereits tot, und sie selbst und Jorim würden womöglich bald unter Steinen begraben liegen – und das Ei ebenso. Kurz schloss Enna die Augen, doch das machte alles nur noch schlimmer. Dieses Mal sah sie nicht die ermordete Selda Korbflechter vor sich, nein, dieses Mal sah sie Westendtal – und es stand in Flammen.
35. STEINERNES ZEUGNIS
Erleichtert, dass sie Tipplin und Toram sowie Ombur Felsenschlag und Edegart Steinacker wohlbehalten vorgefunden hatten, führten Elvor und Talegrin nun zwanzig Halblinge einen steilen Anstieg hinauf. Zehn Freiwillige waren bereits bei den anderen Wachposten zurückgeblieben, um diese zu verstärken.
Die Wolfsklamm hatten sie vor einer Weile hinter sich gelassen, und gleich nach der nächsten Anhöhe führte der Pfad auf eine Hochebene. Wie beim letzten Mal, als Nespur sie hier heraufgeführt hatte, hallten auch heute die krächzenden Rufe der Bergdohlen in den Schluchten wider. Ein heftiger Wind heulte um die vielen Felsen herum und blies die Wärme der Mittagssonne davon, die ohnehin kaum durch die Wolken drang. Die Halblinge zogen ihre Umhänge fester um die Schultern und wanderten weiter.
»Da vorne!«, rief Talegrin und deutete nach Südosten.
Endlich erblickte auch Elvor das kleine Türmchen, das aus vielen aufeinandergeschichteten Steinen bestand und Nespurs Worten zufolge eine alte Wegkreuzung markierte.
»Hoffentlich sind sie noch am Leben«, stieß Elvor hervor und ignorierte seine von der langen Wanderung schmerzenden Füße.
»Ganz bestimmt sind sie das«, versuchte Talegrin ihn zu beruhigen, wobei er Elvor kurz auf die Schulter klopfte.
An dem steinernen Turm bogen sie nach links ab, und je näher sie der großen Hauptschlucht kamen, die durch die Vergessenen Täler führte, desto nervöser wurde Elvor. Gleich würden sie jene Stelle erreichen, an der die Halblinge während ihrer Abwesenheit eine weitere Gerölllawine vorbereitet hatten, die ausgelöst werden sollte, sobald die Erinyen kamen. Dort hielten die beiden Zwillingsbrüder Boglin und Bremlin Stumpfuß sowie Fridon Höhlensucher und Marvin Birkenhain Wache. Da es sich um eine wichtige Verteidigungsanlage handelte, hatte Elvor wenigstens in diesem Fall darauf bestanden, gleich vier Halblinge für diese Aufgabe einzuteilen.
Elvor konnte sich kaum noch zurückhalten, und so eilte er voraus, bis er endlich den großen Holzstapel unweit der Schlucht erkannte – von den vier Wachen jedoch fehlte jede Spur.
Ein eisiger Schrecken durchfuhr ihn, und er erstarrte.
»Boglin, Bremlin«, rief Talegrin. Der Halbling strich sich mit beiden Händen die Haare zurück und blickte sich suchend um. Zunächst geschah nichts, doch dann regte sich etwas. Zwei Köpfe wurden hinter dem Holzstapel sichtbar und spähten vorsichtig zu ihnen herüber.
»Da sind Fridon und Marvin!«, rief Elvor und rannte auf die Halblinge zu.
Nachdem sich die beiden versichert hatten, dass keine Gefahr bestand, kamen sie herbeigeschlurft.
»Wo sind die Zwillinge?«, wollte Elvor wissen.
Marvin blies die Wangen auf und deutete nach links. »Die sind mal kurz verschwunden und …«, er brach ab und kratzte sich am Kopf.
»Mein Strahl ging eindeutig weiter!«, hörten sie da jemanden prahlen.
»Wenn es nach mir ginge, bräuchten wir dieses ganze Lawinenzeugs nicht«, entgegnete ein anderer.
»Genau! Wir
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