Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
bereits dabei, diesen zu entzünden. Der alte Halbling schlug die Feuersteine mit aller Kraft gegeneinander, und schon fraßen sich die Flammen dank des hochprozentigen Zunders in das Holz hinein, noch ehe das Getöse der Gerölllawine verklungen war.
Die Stille war gespenstisch, fast schon laut für Ennas Empfinden. Nie hätte sie gedacht, dass sich diese feindliche Heerschar so leise würde fortbewegen können. Vielleicht war es aber auch einfach nur Unbehagen, das sich ausgebreitet hatte, oder der Nebel erstickte jedes Geräusch.
Doch all dies änderte sich schlagartig: Ein dumpfes Grollen war plötzlich zu hören, ein Donnern, als würden die Bergwände, die das Tal umschlossen, nachgeben und zusammenstürzen. »Gerölllawine!«, brüllte eine Erinya.
»Zurück!« Zervanas Stimme fuhr wie ein Peitschenknall durch die Luft. Nach einem kurzen Moment des Schreckens brach ein heilloses Durcheinander aus: Ghule und Erinyen schrien auf und rissen einander von den Füßen. Im dunstverhangenen Tal konnten sie nicht viel erkennen, nur das Donnern des auf sie zurasenden Gerölls war allgegenwärtig. Und genau das machte alles noch schlimmer.
Panik erfasste Enna. Genau diesen Augenblick hatten sie und Jorim gleichermaßen erhofft wie gefürchtet. Jorim packte sie rasch, wollte sie mit sich ziehen, doch da schoss ein Schatten herbei: Hanafehl!
Erstaunlich behände hechtete der Ghul über einen Fels, schnappte sich die beiden Halblinge, klemmte sie unter seine gewaltigen Arme und rannte los. Aus seinem kräftigen Griff gab es kein Entkommen, ganz gleich wie sehr Jorim und Enna auch um sich traten. Mit großen Sätzen jagte Hanafehl zwischen Findlingen hindurch, sprang über Steine hinweg und bewegte sich fort von der tödlichen Gefahr. Doch schon schlugen die ersten Felsbrocken unweit der drei auf, Steine zerbarsten und Stücke davon wurden fortgeschleudert. Unbeirrt jagte der Ghul weiter und weiter, die Todesschreie hinter sich ignorierend.
Enna staunte, wie geschickt und schnell er einen Weg aus all dem Chaos fand. Er musste das bereits vorher geplant, seine Umgebung stets genau beobachtet haben, um den schnellsten Fluchtweg zu finden. Jetzt ergab sein Verhalten für Enna auch einen Sinn. Hanafehl hatte auf diesen Moment gewartet. Die ständigen Blicke, seine Bemerkungen, die vermeintliche Gleichgültigkeit. Das alles war Teil seines Plans gewesen.
Für Enna war es zwar unbegreiflich, doch dem Ghul gelang es tatsächlich, sie und Jorim heil aus der Gefahrenzone zu bringen.
Noch immer hörten sie weit hinter sich Schreie, noch immer stürzte Geröll zu Boden. Eine Weile schleppte Hanafehl die Halblingsgeschwister weiter mit sich, dann hielt er unweit des Flussufers, im Schutz einiger Weiden, deren Äste ins Wasser hingen, an. Seine Augen suchten das dämmrige Halbdunkel ab.
Auch Enna versuchte, irgendetwas zu erkennen, doch niemand sonst war zu sehen. Sie waren mit dem Ghul allein. Zwar hatten Enna und Jorim es darauf angelegt, dass der Ghul das Ei an sich reißen würde, doch eigentlich hatten Zervana oder Yorak das mitbekommen sollen. Durch die Gerölllawine war alles ganz anders gekommen. Hanafehl hatte sicher geahnt, dass so etwas geschehen würde, und genau diesen Augenblick abgewartet.
Schließlich wandte sich der Ghul um. Er richtete sich vor den Halblingen auf, und seine eiskalten Augen blickten auf Ennas Hände, die sich schützend um die Ausbeulung unter ihrem Umhang gelegt hatten.
»Das Ei!«, schnarrte er leise. Verschwunden war das hämische Grinsen in seinem Gesicht, verschwunden waren Hohn und Spott in seiner Stimme.
Enna schluckte und trat einen Schritt zurück. Sie starrte auf die große Hand, die Hanafehl ihr verlangend entgegenstreckte.
»Du kannst es mir freiwillig geben, oder ich hole es mir«, sagte er trocken. »Glaubt ihr, ich wusste nicht, dass ihr versucht habt, dieses Peitschenweib und mich zu entzweien? Dachtet ihr im Ernst, ich würde das nicht bemerken?«
Enna schwieg. Sie überlegte, was sie tun sollte, ihre Gedanken überschlugen sich.
»Das war so einfach«, fuhr Hanafehl fort. »Der Gerölllawine sei Dank! Nicht nur die Erinyen hatten Späher gesandt, sondern auch ich – und zwar lange vor ihnen. Allerdings trug ich ihnen auf, sich zurückzuhalten und nur zu beobachten. So wusste ich von eurer kleinen Falle.« Langsam schritt er auf Enna zu.
»Ihr beide wurdet leider unter dem Gestein begraben, das Gulvaren-Ei ebenfalls.« Der Ghul entblößte seine Zähne und grinste
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