Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
und erkannte zu ihrem Entsetzen, dass Yorak ihr den Erinyen-Umhang abgenommen und hineingeworfen hatte – das Zeichen der Ehre einer kampferprobten Erinya, ein Teil von ihr. Ebenfalls im Feuer brannte ihre Geißel, verkohlt, zerstört. Zervana hatte in diesem Moment das Gefühl, etwas in ihrem Inneren würde ebenfalls von den Flammen verzehrt werden. Lediglich ihre Fackel, die hatte er ihr gelassen. Das Wahrzeichen der Erinyen pulsierte zwischen ihren nackten Füßen.
»Weshalb hast du mich nicht getötet?«, zischte sie hasserfüllt.
»Weil ich nun mein Menschenblut nicht mehr verleugnen will.« Seine Augen wanderten an ihr herab. »Auch wenn ich aussehe wie ein reinrassiger Erinya, so fließt doch das Blut dieses Volkes in meinen Adern. Ein Volk, das Ihr so gut wie ausgelöscht habt.« Yoraks Mundwinkel verzogen sich zu einem leichten Schmunzeln. »Das habt Ihr nicht bedacht, nicht wahr? Ihr ward Euch der Überlegenheit des Erinyen-Blutes über das menschliche zu sicher, Zervana von Myrador. Auch wenn bei den meisten Erinyen, die Ihr durch eine Verbindung mit Menschen erschaffen habt, die Verderbnis der Erinyen gesiegt hat: Ich fühle mich dem Menschenvolk verbunden.«
»Menschen!«, spie sie aus. »Schwache und dumme Menschen. Geflohen sind sie wie Hunde, sind als Ghul-Futter geendet oder als Polster für meinen Thron.« Voller Bitterkeit lachte sie auf. »Ist es das, was du willst? Ist es dein Begehren, ihrem Schicksal zu folgen?« Sie hob ihr Kinn und sah ihn an. »Ich dachte, du wolltest der neue Herr der Erinyen werden. Meinen Platz einfordern oder die Süd- und die Nordlande an meiner Seite beherrschen. Das hätte dir zumindest einen Funken meines Respekts eingebracht. Aber was tust du?« Zervanas Stimme troff vor Spott. »Ausgerechnet jetzt, wo wir dem Ziel so nahe sind, wirfst du alles weg, was hätte dein sein können, und machst diese absurde Inszenierung. All das ergibt keinen Sinn!«
»Müssen unsere Taten und Handlungen immer Sinn ergeben?«
»Jeder Schlag meiner Geißel, jeder Stoß meiner Fackel dient dem Ziel der Eroberung«, presste Zervana hervor. »Kein Hieb geht fehl, alles ist berechnet und beabsichtigt.«
»Wenn dem so ist, dann habt Ihr Euch zum Sklaven Eures eigenen Ziels gemacht, seid stets gezwungen, alles diesem höheren Zweck unterzuordnen.« Yorak schüttelte den Kopf. »Nein, Zervana. Ich will kein Diener meines eigenen Verlangens nach Macht sein. Ich will frei von solchen Dingen sein, will wahrhaftig leben und jeden Tag meine Entscheidungen neu überdenken und treffen können.«
Zervana konnte nicht glauben, was sie da hörte. Abermals fragte sie sich, wie sie sich nur so in Yorak hatte täuschen können. Allmählich wurde ihr klar, dass sie sich von dem Geheimnisvollen, das Yorak immer umgab, stets angezogen gefühlt hatte. Es hatte sie erregt, neugierig gemacht – und blind! Denn das vermeintlich Unergründliche war nichts anderes gewesen als das Menschliche in ihm.
»Einst habe ich dich respektiert, Yorak, doch nun bleibt nur noch der bittere Geschmack der Verachtung übrig.«
»Euer Respekt hat mir niemals etwas bedeutet.« Er erhob sich, stand groß und beeindruckend vor ihr.
»Du wirst immer auch zum Teil Erinya sein«, provozierte sie ihn. »Du magst unser Blut verleugnen, aber es fließt in deinen Adern, lediglich verdünnt durch das schwache Blut der Menschen.«
»Dessen bin ich mir bewusst«, entgegnete er. »Das Erinyen-Blut ist der Fluch, den ich tragen muss, und so werde ich stets ein Verstoßener bleiben, denn weder Erinya noch Mensch wird mich akzeptieren.«
»Und dies wird dich immer schwach und verletzlich machen«, sagte Zervana. Unterstellte man einer Erinya Schwäche, so entfachte man ihren Zorn, aber Yorak blieb kühl.
»Im Augenblick sehe ich Schwäche an ganz anderer Stelle.«
Die offensichtliche Verachtung in seinen Augen brachte Zervana erneut zum Rasen, sie zerrte an ihren Fesseln und bemerkte, dass sie gar nicht so fest waren, wie sie angenommen hatte. Hoffnung keimte in ihr auf, aber aus irgendeinem Grund ahnte sie, dass auch das zu Yoraks Plan gehörte.
Er ging zu dem Podest, zog Hanafehls Schädel an den Haaren in die Höhe, dann schritt er auf den Ausgang der Höhle zu.
»Eure Fesseln werdet Ihr in kurzer Zeit durchgescheuert haben, dann könnt Ihr mit Euren Erinyen gegen die Ghule kämpfen.«
»Ich würde lieber dich im Zweikampf töten!«, rief sie ihm nach. Yorak drehte sich um und kam noch einmal zu ihr. Zervana hoffte schon, er
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