Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
freuen, wenn er uns begleitet.«
»Genau«, stimmte Jorim zu, »ungewürzte Speisen können die Stimmung in der Gruppe mächtig verderben.« Er hob den Finger und wedelte damit in der Luft herum. »Und das wäre gar nicht gut für das Gelingen der Mission.«
»Nun gut, warum nicht. Ein tüchtiger Koch ist fürwahr ein Segen«, meinte Eren nun.
»Von mir aus«, rief Helebert.
»Gut, dann soll es eben so sein«, beschloss Brim. »Die Gruppe steht fest und soll am morgigen Tage losziehen. Allerdings«, Brims Blick wanderte über die Lichtung, »wollen wir vorher bei Sonnenaufgang Seldas Körper den wogenden Wellen übergeben, damit diese sie in die Grünen Gefilde tragen können.«
Betretenes Schweigen machte sich breit. Offenbar hatten die meisten während der Auswahl der Freiwilligen den schrecklichen Mord an Selda Korbflechter vergessen. Nun wurden sie schmerzlich daran erinnert.
»Ihr alle kennt den Zeitpunkt, an dem die im Osten aufgehende Sonne durch das Felsenportal den Weg nach Westen weist«, fuhr Brim fort. »Lasst uns dann an der Pforte versammeln.«
Damit war der Rat beendet, die Versammelten zogen leise murmelnd oder schweigend davon. Jorim und Enna, aber auch Nespur, Elvor und Jul machten sich daran, Vorbereitungen für die Reise zu treffen. In ihren Häusern angekommen, legten sie sich Kleider zurecht, stellten ihre Wanderstöcke bereit und packten Proviant ein.
Als Jorim fertig war, ließ er den Blick durch sein Baumhaus schweifen, und ganz plötzlich wurde ihm schwer ums Herz. Zum ersten Mal würden sie ihre Heimat verlassen.
6. TAG DES AUFBRUCHS
Noch während sich die Sonne am nächsten Morgen langsam aus ihrem Bett im Osten erhob, machten sich die vielen Halblinge, die Selda Korbflechter gekannt hatten, auf den Weg durch Westendweiler hin zur Felsenpforte. Westendweiler war eine liebliche Gegend. Mit dem Auge einer Krähe betrachtet hätte man weitläufige Wälder gesehen, die von grünen Grasteppichen und sanften Hügeln unterbrochen wurden. In den Schatten spendenden Wäldern überraschten bizarre Felsformationen das Auge des Wanderers, und ausladende Höhlen boten viele Unterschlupfmöglichkeiten.
Manch einer behauptete gar, Westendweiler ähnele den Grünen Gefilden und bereite die Lebenden auf das weite Land jenseits aller Grenzen vor.
Ganz im Westen, gleich neben den höchsten Gipfeln der Schroffen Berge, erstreckten sich grüne Auen in ein weitläufiges Tal. Dorthin zogen die Halblinge nun. Allmählich wurde das Tal schmaler und ging in einen sanften Anstieg über. Es dauerte nicht mehr lange, und die beiden Geschwister konnten am Ende des Tales das hoch aufragende Tor aus behauenem Fels ausmachen. Efeu rankte sich an dem Stein empor und verlieh dem Portal, durch das wohl ein ausgewachsener Drache hindurchfliegen konnte, einen grünen Anstrich.
Jorim blickte sich um. Er und Enna waren längst nicht die Ersten; überall waren bereits Halblinge versammelt. Selbst auf den umliegenden Hängen standen Angehörige des kleinen Volkes und warteten auf den Beginn der Zeremonie. In der Mitte des Portals stand ein massiver, steinerner Tisch, auf dem Selda Korbflechter aufgebahrt lag. Etwas abseits davon wartete ein großes Floß darauf, ihren Körper aufs Meer hinauszutragen.
Bevor das Floß jedoch mit dem Körper der Verstorbenen zu Wasser getragen wurde, würden Angehörige oder Freunde einige Worte sprechen. Da Selda allerdings weder Geschwister noch Nachkommen hatte und ihre Eltern schon vor langer Zeit den Weg in die Grünen Gefilde gegangen waren, übernahm Brim Mühlenstein diese Aufgabe.
»Der Tod ist eine unausweichliche Wegkreuzung, und wir alle werden auf dem Pfad des Lebens irgendwann dorthin geführt«, begann er, nachdem sich alle versammelt hatten. »Doch ich glaube, es macht einen Unterschied, ob wir freien Gemütes auf dieses Ereignis zuschreiten oder ob andere«, Brim hielt kurz inne, »andere Kräfte uns dorthin zwingen, bevor unsere Zeit gekommen ist. Selda Korbflechter, ein wohlgeschätztes Mitglied des Rates und unseres Volkes, musste sich leider einem solchen Schicksal beugen. Aber wir alle wissen, dass am Ende aller Wege das Felsenportal auf uns wartet, wo wir hinübertreten in die Grünen Gefilde. In jenem Reich begegnen wir denen, die vor uns gegangen sind, und sie weisen uns dort den Weg zu grünen Tälern und zu Tavernen, deren Vorratsräume sich niemals leeren.« Brim machte eine kurze Pause und sein ernster Blick blieb auf Jorim ruhen.
»Doch der heutige Tag
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