Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
Wenn du erst mal weit weg bist und uns deine Großmannssucht erspart bleibt, wird das eine leichte Aufgabe für uns werden.«
Elvor wollte gerade zu einem heftigen Protest ansetzen, doch kam nicht weiter, als den Mund zu öffnen.
»Genau das wollte ich hören!«, sagte Nespur begeistert. »Seht euch die Gegend genau an. Dann geht zurück, holt Hilfe, baut den Hinterhalt und errichtet Barrikaden, so schnell ihr könnt. Und übrigens«, Nespur hob den Finger, »die Sache mit dem berauschenden Trunk meinte ich ernst. Es muss ja nicht unbedingt Rimbors Schnaps sein. In den Lagerräumen Westendtals gibt es noch so manch ungenießbaren Fusel, der nur dazu taugt, das Dach des Rauchorakels zu polieren oder Bösewichtern den Kittel zu entzünden. Der verdorbene Kartoffelschnaps, von dem noch unzählige Fässer in Nordbruch lagern, müsste mal unters Volk gebracht werden.« Ein Lachen breitete sich auf Nespurs Gesicht aus, während er in seinen Umhang griff, eine kleine, bauchige Flasche hervorholte und sie in die Luft hielt. »Für die Wandernden habe ich allerdings einen kleinen Vorrat meines Selbstgebrannten abgezweigt.« Seine Augenklappe wanderte auf und ab, als er lachte, doch die Unbekümmertheit war nur von kurzer Dauer. »So, und nun lasst die anderen von uns aufbrechen, denn ein weiter Weg liegt vor uns.«
Die fünf Reisenden verabschiedeten sich von Toram und Tipplin, und sie alle wünschten sich gegenseitig Glück und gutes Gelingen.
Der Weg über das Hochplateau, den die verbliebenen fünf Gefährten nun beschritten, war steinig. Nur spärliches Gras wuchs hier oben. Ein steter Wind blies ihnen um die Ohren und machte eine Unterhaltung unmöglich. Immer wieder sah Jorim hinab und war überrascht wegen der unzähligen Schluchten und Täler, die wie von Riesenäxten gehauene Kerben im Gestein der Berge wirkten.
Die folgende Nacht verbrachten sie auf den vom Sturm umtosten Höhen im Schutz eines großen Felsblocks. Die Sterne blitzten und funkelten am nächtlichen Firmament, so als gäbe es kein Morgen und als wollten sie in einem letzten Aufbegehren all ihre Leuchtkraft in einer einzigen Nacht verschleudern. Erschöpft von den Strapazen des Tages schliefen die Halblinge jedoch so fest, dass sie von diesem Schauspiel nichts mitbekamen.
So klar und hell die Nacht gewesen war, so trübe und neblig war der nächste Morgen. Wolken waren aufgezogen und bildeten eine dichte, für das Licht undurchdringliche Decke.
Müde hatten sich die Halblinge aus ihren Decken gekämpft und nach einem kurzen Frühstück unverzüglich auf den Weg weiter durch die Schroffen Berge gemacht. Nespur drängte sie zur Eile. Das Laufen erwies sich als äußerst schwierig, der Fels war rutschig und eine Orientierung kaum mehr möglich. Leichter Nieselregen fiel vom Himmel, und schon nach kurzer Zeit klebten ihre Haare nass am Kopf.
»Man sieht nicht mal eine Armeslänge weit.« Enna streckte ihre Hand aus, die fast schon im Nebel verschwand.
»Da ziehe ich dann doch den Wind vor«, bemerkte Elvor, »auch wenn er mir gestern beinahe meine Haarpracht vom Kopf gerissen hätte.« Er strich sich über seine schwarzen Locken, als wolle er prüfen, ob sie noch an Ort und Stelle wären.
»Wartet!« Nespurs Stimme drang gedämpft durch den Nebel. Er hob die Hand und blieb abrupt stehen. Jul, der mit gesenktem Kopf, aber ohne sich zu beklagen, hinter ihm gelaufen war, prallte gegen seinen Rücken.
»Sei wachsam, Jul, und renn nicht einfach einen alten Halbling über den Haufen.«
Jul nickte schweigend, Nespur indes kramte ein Seil hervor. »Hier, schlingt euch das um die Hüften. Damit wir uns nicht verlieren.«
Schweigend wickelte sich jeder den langen Strick um den Leib und reichte ihn an den Nächsten weiter, bis sie alle miteinander verbunden waren. Dann konnten sie den Marsch fortsetzen.
Tatsächlich fühlte sich Jorim so ein wenig sicherer. Er und Enna gingen hinter Jul, Elvor bildete das Schlusslicht. Wie Nespur den Weg fand, war Jorim ein Rätsel. Ab und an blieb Fährtenauge stehen, betastete den Boden, erhob sich wieder und stapfte zielstrebig weiter. Hier und da konnte Jorim einen der kleinen, aus Steinen aufgeschichteten Türme erkennen, und er vermutete, dass es Wegmarkierungen waren.
»Es ist Mittag«, rief Enna irgendwann.
»Woher willst du das wissen?«, fragte Elvor.
»Weil Jorims Magen knurrt.«
»Nicht nur seiner.« Elvor rieb sich über den Bauch und blickte nach vorne. »Nespur, meinst du nicht, es wäre Zeit für ein
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