Der Kampf der Halblinge: Roman (German Edition)
Blödsinn erlaubt habe, musst du nicht gleich alles ausplaudern. Zudem ist die Reise, die wir angetreten haben, ein sehr gefährliches Unterfangen. Da sollten wir uns nicht über Jugendsünden lustig machen.«
Erleichtert bemerkte Jorim, dass die Mienen der anderen wieder ernst wurden – endlich hatte er sie auf das eigentliche Thema zurückgebracht.
»Ich sag ja schon nichts mehr«, beruhigte ihn Enna und seufzte. »Ich habe einfach das Gefühl«, sagte sie dann an Jul gewandt, »bei der Suche eher etwas Sinnvolles beitragen zu können, als wenn ich in Westendtal geblieben wäre.«
»Warum sollte das so sein?«, meldete sich Elvor zu Wort.
»Warum sollte das nicht so sein?«, erwiderte Jul.
»Eben, warum nicht«, meinte Enna und nickte Jul dankbar zu.
Elvor schien kurz zu überlegen, ging aber nicht auf Juls Frage ein. »Nun, ich bin immerhin der Nachfahre des tapferen Sternenfaust«, sagte er schließlich. »Da ist es ja wohl klar, wieso ich mit von der Partie bin.«
Elvor zog die dichten Augenbrauen zusammen, was ihm einen trotzigen Ausdruck verlieh, und biss energisch in ein Stück Schinken. Jorim konnte sehen, wie Nespur sein Auge zusammenkniff und Elvor eingehend musterte, sich jedoch einen Kommentar ersparte. Und auch er betrachtete Elvor.
»Starre mich ruhig an, Jorim«, brummte Elvor, »ich werde dir keine weiteren Erklärungen liefern.«
»Ich habe auch nicht danach gefragt.«
»Dann ist ja gut.«
Jorim warf Enna einen fragenden Blick zu, doch die hob kaum merklich die Schultern. Keiner von ihnen wusste, weshalb Elvor so empfindlich reagierte.
So breitete sich Stille aus; keiner sprach mehr ein Wort, sondern konzentrierte sich auf sein Essen. Und genau das war ihr Glück, denn kurz darauf hörten sie Schritte – leise, sich nähernde Schritte.
9. EIN LEUCHTEN IM DUNKELN
Etwas schabte über Stein. Es war ein merkwürdiges Geräusch und ließ Jorim einen Schauder über den Rücken laufen. Das wirklich Beunruhigende war jedoch, dass der Verursacher näher zu kommen schien. Schließlich sahen die fünf Halblinge ein schwaches Glimmen im Nebel, der durch die Dunkelheit zusehends verschlungen wurde.
»Was ist das?« Jul senkte langsam die Hand, in der er ein großes Stück Käse hielt, und beugte sich nach vorn. Seine Augen wurden immer größer, so als wolle er damit den Nebel durchbohren.
»Irgendjemand ist da draußen«, flüsterte Enna und rutschte näher an den Baumstamm neben ihr.
»Seid leise«, ermahnte sie Nespur, »setzt euch zu Enna an den Baum und verhaltet euch still!«
Sie zögerten nicht und rutschten alle hinüber zu Enna.
Jorim wischte sich über das Gesicht und bemühte sich derweil, irgendetwas zu erkennen. Das Leuchten kam näher. In der zunehmenden Dunkelheit bot es seinen Augen den einzigen Anhaltspunkt. Es war wie ein stetes Pulsieren, so als würde es atmen und damit seinen Lebensodem erhalten. Dann löste sich eine riesige, schlanke Gestalt mit einem langen Umhang aus dem Nebel – und Jorim gefror das Blut in den Adern. Obwohl er noch nie ein solches Wesen gesehen hatte, wusste er gleich, um was es sich handelte.
»Eine Erinya«, hauchte er.
Eine Erinya – und sie kam näher. Jorim presste sich an den Stamm, ein Aststummel stach ihn schmerzhaft ins Kreuz, doch er ignorierte ihn ebenso wie die Wassertropfen, die ihm von den feuchten Ästen auf die Stirn fielen und dann zu seiner Nasenspitze wanderten.
Jorim sah lange Beine, die in Lederstiefeln steckten, und einen zerfetzten Umhang, der beinahe den Felsboden berührte. Er konnte sogar einige Stellen fahler Haut erkennen. Eine knochige Hand schloss sich um den Griff einer Peitsche, deren einzelne Geißeln über den Boden schleiften. Die andere Hand hielt die lodernde Fackel.
Jorim war dankbar für die ausladenden, tief hängenden Äste der Fichte, unter der sie saßen. Zwar konnte er deshalb das Gesicht der Erinya nicht erkennen – was er im Übrigen auch gar nicht wollte –, aber auch ihr würde so der Blick auf die fünf Halblinge verwehrt bleiben.
Die Schritte der Erinya wurden langsamer, dann blieb sie, inzwischen nah bei der Fichte, stehen und hob die Fackel. Die Flammen loderten auf, knisterten, als würden sie sich durch trockenes, totes Holz fressen. Jorim war es ein Rätsel, wie die Feuer der Erinyen-Fackeln genährt wurden, denn sie schienen nicht niederzubrennen.
Ein heller Lichtschein breitete sich nun über ihnen aus und tauchte das Grün der Nadelbäume in einen rötlichen Schimmer.
»Bleibt
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